Zwischenfall auf der A 7

Chris schlich Richtung Elternhaus, er war hin- und hergerissen vom Wechselbad seiner Gefühle. Depressive Gedanken wechselten ab mit dem euphorischen Gefühl der Macht, Schicksal gespielt zu haben, Macht- wenn auch nur kurze Zeit- über andere zu besitzen. Dann drückte ihm wieder würgende Angst die Kehle zu, er hatte panische Angst vor den Folgen. Er hatte sich gut eine Stunde auf eine Parkbank gesetzt und gegrübelt, sinniert- er glaubte, daß sein Kopf gleich platzen würde, es ging ihm total beschissen. Doch das Gedanken-Karussell ließ sich nicht stoppen. So wankte er schließlich nach Hause.

Seine Mom öffnete ihm freudig und sagte: "Oh Chris, schön daß Du da bist- Melanie kommt heute schon zurück und nicht erst übermorgen, wo sie nur bleibt? Sie wollte doch schon vor zwei Stunden da sein ... "

Melanie: Seine große Schwester, die Medizin studierte, immer alles locker bewältigte, noch dazu bildhübsch war und das Wichtigste: Sie verstand ihn, den Loser, als einziger Mensch auf dieser fucking world. Vor allem hörte sie ihm geduldig zu und schon oft hatte sie ihn durch Worte und auch praktische Hilfe aus einem Schlamassel gehievt. Es durchflutete ihn heiß, eine zärtliche Welle schwappte durch seinen Kopf und plötzlich freute er sich unbändig, Melanie kommt, wow. Doch dann herrschten wieder die Dämonen und spiegelten ihm wieder im Kopf die Hölle vor.

Er ging rasch auf sein Zimmer und drehte die Musik auf volle Dröhnung, warf sich aufs Bett und suchte zu verdrängen. Nicht mal der Heavy-Metal-Krach brachte heute Erleichterung, er drehte den Saft ab- die Flurglocke läutete melodisch. Chris blieb apathisch auf seinem Bett liegen, hey, kam Melanie?

Plötzlich hörte er seine Mom gellend schreien; Chris sprang auf und ging nach unten: Zwei Polizisten hatten seine Mom auf die große Couch im Salon bugsiert und einer sprach leise auf sie ein. Mom weinte hemmungslos und zitterte vor Erregung. Der andere Beamte kam auf ihn zu und fragte, wer er sei. Chris glaubte, in einem Alptraum zu sein. Als er sich vorgestellt hatte, eröffnete ihm der Polizist, Melanie hätte einen Auto-Unfall gehabt und sei leider sofort tot gewesen, verstorben an der Unfallstelle.

Chris begann zu schwitzen und glotzte ihn an wie den Satan, schließlich fragte er stotternd, wie das denn passiert sei und wo. Melanie, seine große, warmherzige Schwester, tot???

Der Beamte sagte leise: "Ihre Schwester fuhr auf der A 7 kurz vor der Ausfahrt unter einer Brücke durch, es war schon dunkel. Ein vorausfahrender Rover wurde voll von einem Steinewerfer getroffen, schleuderte und stellte sich quer, Ihre Schwester fuhr voll in das Hindernis und ein nachfolgender LKW schob sie völlig unter den schweren Rover, dann beide gegen die Leitplanken. Sie hatte in ihrem Kleinwagen keine Chance und muß sofort tot gewesen sein ... " Dann schwieg er völlig angegriffen und sichtlich erschüttert.

In derselben Nacht schlich Chris zu der Autobahnbrücke, seine Mom hatte eine Beruhigungsspritze bekommen und sein Vater, von Beruf Arzt, kümmerte sich völlig gebrochen um sie.

Chris kletterte über das Brückengeländer und wartete; als ein großer Sattelzug herandonnerte, sprang er. Der Trucker sah plötzlich nur einen dunklen Schatten vor seiner Windschutzscheibe, dann gab es häßliche Schlag-Knirsch-und Malm-Geräusche- er hatte Chris mit seinem 40-Tonner überrollt. Der Mann hatte Null Chance und erlitt einen Schock.

Als seine Eltern und die Polizisten seinen Abschiedsbrief fanden, traf es sie wie ein Blitz: Chris gestand, der Steinewerfer zu sein. Er wollte und konnte mit dieser ungeheuren Schuld nicht mehr weiterleben, zwei Schwerverletzte, ein Leichtverletzter und seine Schwester Melanie tot- weil er seinen Frust nicht unter Kontrolle hatte ...

Im Radio empfahl der Moderator wieder, nach einem erneuten Zwischenfall mit Todesfolge auf der A 7 diesen Autobahn-Abschnitt weiträumig zu umfahren. Dann folgte der Wetterbericht ...


*Geistiges Eigentum von Robby R. bzw dem Schwarzen Grafen*
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