„Ja, das Handeln des Herrn ist unerforschlich und oft unbegreiflich, sodass unser beschränkter Geist es nicht immer fassen kann. Doch wenn wir am Ende aller Tage vor seinem Angesicht stehen werden, wird auch das Rätsel unseres Lebens gelöst sein und wir werden erkennen. „Oh, Herr, so einfach war alles und wir haben nichts begriffen.“ Ja, unerforschlich ist sein Handeln und nur er weiss in seiner Allmacht, Weisheit und Güte, warum er mich den Pfad hat gehen lassen, der mich in dieses Benediktinerkloster führte. Denn viele Wege hat es gegeben, doch ihm, gelobet sei sein Name in alle Ewigkeit, hat es so gefallen.“
Der Abt ist ein freundlicher Mann. Alter und die Last der Veranwortung haben zwar seinen Rücken gebeugt, doch Verstand und Güte bestimmen sein Handeln, sodass von Zucht und Strenge, welches ich von anderen Klöstern gehört habe, hier nichts zu spüren ist. Nach dem Nachtgebet, auch Completorium genannt, (ich habe im Laufe der Zeit ein wenig Latein gelernt und kann sogar beim Laudes, um die sechste Morgenstunde, leise mitsingen, wenn der Gesang der Mönche zu mir herüberklingt) kommt er manchmal zu mir in meine kleine Zelle, und bleibt nicht selten bis über die siebente Abenstunde bei mir, wo nach den Regeln des heiligen Benediktus die Mönche sich zur Ruhe legen sollten. Zwar bin ich kein Mönch, doch der Abt weiss um die Zerrissenheit und Schreckhaftigkeit meiner Seele, so dass ich nicht im Grossen Saal, wo die Klosterknechte schlafen und leben, zu sein brauche. Und ich halte mich gerne an die Regeln, welche mir mild erscheinen und die mir Zugehörigkeit und Heimat bedeuten. Ich mache dies und jenes, doch die meiste Zeit, besonders im Frühjahr und im Sommer, helfe ich Bruder Antonius im Garten, wo seltene Pflanzen und Sträucher wachsen, welche Besucher und Gäste, aus den verschiedensten Gegenden mitgebracht haben. In sauber angelegten Beeten gedeihen Kohl, Erbsen und Bohnen. Besonders liegen Bruder Antonius die Arzneikräuter am Herzen, wie Alant, Zitonenmelisse und der Salbei, das Heilkraut gegen so viele Krankheiten. Von allen Pflanzen ist mir die Mariendistel, Silybum Marianum, deren weissgesprenkelte Blätter, die herabtropfende Milch der Mutter Maria beim Stillen des Jesuskindes versinnbildlichen, am liebsten.
Es ist Herbst. Nicht selten ist es, dass der Sturm jetzt vor dem kleinen, mit einer Schweinshaut abgedichteten Fenster heult und ums Haus tobt, wie ein Poltergeist. Meine kleine Zelle ist in einem Nebengebäude, welches mit dem Mutterhaus verbunden ist. Gleich daneben befindet sich der Pferdestall, so dass ich des Abends und in der Nacht, wenn ich keinen Schlaf finde, das vertraute Scharren ihrer Hufe vernehmen kann. Zwar ist Ruhe eingekehrt in mein Herz, durch die Hilfe des Abtes und des Gebetes, doch noch immer versucht der Teufel mich mit meiner Vergangenheit zu quälen und zu ängstigen. Doch dann falte ich meine Hände, und spreche das Gebet des Augustinus, welches mich der Abt gelehrt hat.
´Denen, die Gott lieben, verwandelt er alles in Gutes, auch ihre Irrwege und Fehler lässt Gott ihnen zum Guten werden.´
da im Allgemeinen aller guten Dinge drei sind, so wurden die vielleicht wichtigsten auch gestellt.
Den Namen Stoffelin Kerschl habe ich vor längerer Zeit, als ich mit dieser Gesichichte begann, dies ist ein kleiner Ausschnitt, in einem alten Manuscript, welches das Mittelalter betrifft, gelesen. Und da er mir gefiel, habe ich meine Hauptfigur so genannt. Dichterische Freiheit.
Die Geschichte hat einen Anfang und wird, wenn ich denn je sie zuende schreiben sollte, auch ein Ende haben. Wobei dieser kleine Abschnitt eigentlich das Ende ist, das mit vielen, doch wenigstens einigen Rückblenden dann versehen ist.
´Dass ich von nichts eine Ahnung habe, sagt mir meine Ahnung.´
Hat etwas socratisches an sicht, diese Erkenntnis!
Möchtest du uns den Anfang deiner Stoffelin-Geschichte nicht auch vorstellen, oder existiert er nur in deinem Kopf und du hast ihn noch nicht "zu Papier" gebracht? Er interessiert mich halt - der alte Knabe da im Kloster :-)
Ja, ich weiß, dass ich nix weiß und ich ahne, dass ich keine Ahnung habe... es ist halt die Einsicht der Einsichtigen :-)
Ich grüße nach Tampere Ringelroth
Schreiben ist einfach. Man muss nur die falschen Wörter weglassen (Mark Twain)
zwei Versionen, kurze Abschnitte, welche nicht der Anfang sind, sondern unter Rückblende fällt.
Imganzen, es gibt vier Kapitel. Vielleicht kann ich im Sommer mehr mir zusammendichten!
1.Version:
Ich war unter die Räuber gefallen. Mönche und Soldaten, Bauern und Pilger, sie gingen vorüber und sahen mich nicht. Oder wollten mich nicht sehen, wie ich halb tot am Wegesrand lag. Nur Andreas und Katharina blieben stehen und kamen zu mir. Mit ihren schwachen Kräften, denn sie waren alt, halfen sie mir, dass ich den Weg zu ihrer kleinen Hütte schaffte, welche am Rande des Waldes lag. Sie pflegten mich mit ihrem Wissen um die Heilkräuter, welche im Walde und auf den Feldern wuchsen. Langsam genas ich und kam wieder zu Kräften. Ich wollte mich ihnen erkenntlich zeigen und bot ihnen meine Hilfe an. Denn es war Herbst und ich könnte Holz für den Winter sammeln. Auch musste das Dach der Hütte ausgebessert werden. Sie nahmen es gerne und dankend an. Während sie im Walde waren um nach Pflanzen und Kräutern zu suchen, welches sie im Dorfe gegen diese und jene Nahrungsmittel eintauschten, versuchte ich mit meinen geringen Kenntnissen und den wenigen Hilfsmitteln, die mir zur Verfügung standen, das nötigste wieder in Stand zu setzen. Lange konnte ich bei ihnen nicht bleiben. Denn sie waren arm und im Dorfe gab es keine Arbeit. So beschloss ich denn, als das Dach war fertig, weiterzuziehen. Doch dann geschah jenes schreckliche Ereignis. Während ich im Walde war und Holz sammelte, hörte ich laute Stimmen. Ich richtete mich auf und sah eine Menge aufgebrachter Bauern vor der Hütte stehen. Sie waren mit Stöcken und Knüppel bewaffnet. Jemand hielt eine brennende Fackel in seiner Hand. „Kommt heraus, ihr Hexen,“ schrie einer. „Mit Eurem Giftkräutern habt ihr meine Kinder umgebracht!“ Die Türe öffnete sich und die beiden Alten traten ins Freie. Ich erinnerte mich, dass sie gestern im Dorfe waren, weil zwei Kinder erkrankt waren. Hilflos standen sie da. Sie sagten etwas, dass ich nicht verstand, weil ich weit weg war. Doch man liess sie nicht ausreden. „Tötet sie!“ Kaum war das Wort gesagt, stürzten sie sich auf Andreas und Katharina und schlugen auf sie ein. Wie gelähmt stand ich da vor Angst und wagte mich nicht zu rühren. Ich weiss nicht, wie lange sie auf die beiden Alten einschlugen. Doch als sie zurücktraten, sah ich sie beide blutüberströmt leblos am Boden. Plötzlich schrie jemand: „Wo ist der Hexenknecht?“ Sie meinten mich. Man blickte umher. Jemand winkte ab. „Den kriegen wir auch.“ Er nahm die Fackel und warf sie in die Stube. Es dauerte nicht lange und die Hütte stand in Flammen. Einige Zeit blieben sie noch stehen, dann zogen sie ab. Erst als sie ausser Reichweite waren, wagte ich mich zu bewegen. Dann begriff ich und schlug die Hände vor das Gesicht. Wie ein gehetztes Wild irrte ich durch den Wald. Nicht gejagt von den Dorfbewohnern, sondern von meinem Gewissen. Warum hast du ihnen nicht geholfen, welche, gleich den barmherzigen Samaritern, dich am Wegesrand in deiner Hilflosigkeit vom Tode erretteten? Doch zugleich versuchte mich der Teufel mit seiner Listigkeit und Logik einzureden, dass alles Bestreben, die beiden Alten zu retten, ihnen nicht geholfen hätte und ich nur selbst das gleiche Schicksal erlitten hätte. Und ich, oh Herr, habe dich verflucht in meiner Hilflosigkeit, denn ich vernahm deine Stimme nicht. Und Wolf und Bär verschonten mich im dunklen Wald. Dann endlich gelangte ich wieder auf einen Weg, auf denen Menschen daherzogen. Auch ich gesellte mich zu ihnen. So ging ich denn dahin, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, getrieben von den Laune des Schicksals, wie ein loses Blatt im Wind. Mal schloss ich mich den Gaucklern, Quacksalbern und Schaustellern an, wo ich hin und wieder aushalf, mal den flüchtigen Verbrechern und den Bettlern. Entlaufene Mönche waren meine Weggefährten und Ketzer auf der Flucht vor der Inquisition. So irrte ich Jahre umher, bis ich krank an Körper und Seele vor der Pforte des Klosters stand und um Einlass bat. Denn ich wollte Gott wiederfinden.
Jemand berührt meine Schulter und ich schrecke auf. Der Abt steht neben mir mit einer Kerze in der Hand. „Du bist auf dem Stuhl eingeschlafen, Bruder. Leg dich zu Bett.“ Ja, er nennt mich Bruder, als wäre ich ein Mönch. Seine Stimme ist wie immer freundlich und voller Güte. Ich erhebe mich und kniee nieder. Er segnet mich und wünscht mir eine gute Nacht. Es dauert lange, bis sich ein wohltuender Schlaf über mich legt.
Hier passt der name Stoffelin Kerschl
*
2. version.
Ich war im Auftrage meines Oheims Pierre Logron, einen durch Tuche reich gewordenen Kaufmannes und Liebhaber von Antiquitäten auf dem Wege nach Paris, um Regnier Gauthier, einen Altertumsforscher und Sammler aufzusuchen. Viele Jahre hatte dieser Griechenland, Ägypten und Kleinasien bereist. Hatte alle Mühsal, Erniedrigungen und Krankheiten ertragen auf der Suche nach den seltsamsten Dingen. Was meinem Oheim besonders interessierte, war ein gewisses Buch, mit handbeschriebenen Pergamentseiten, von dem Gauthier einmal erzählt hatte und das nur aus mit Zahlen beschriebenen Seiten bestand. Doch wenn man die Zahlen verstand zu lesen, so würden einem alle Geheimnisse der Welt offenbart. Ich hielt solch ein Buch für Teufelszeug, da in der Bibel alles stand, was dem Heil der Seele dienlich war. Doch mein Oheim wollte es unbedingt haben und hoffte, dass ich Gauthier überreden könnte, ihm das Buch zu verkaufen. Da mir, als ich in einem zweifelhaften Wirtshaus übernachtete, das Pferd gestohlen wurde, war ich gezwungen gewesen, den Weg zu Fuss weiter fortzusetzen. Immerhn war mir der Beutel mit den Golddukaten geblieben. Aus Angst vor Räuber und plündernden Soldaten, hatte ich mich einer deutschen Pilgergruppe angeschlossen, welche auf dem Weg nach Compostella war. Mein deutsch war zwar mangelhaft, ich hatte einige Monate als Kaufmannsgehilfe in Augsburg gearbeitet, doch hin und wieder konnte ich mit einigen Pilgern ein bescheidenes Gespräch führen. Kurz vor Paris, es war Abend geworden, machten wir in einer Herberge Rast. Ein grosser Raum, mit Stroh ausgelegt, war noch frei, so dass wir, wenn auch dicht gedrängt, Platz fanden. Auf das Essen verzichtete ich, beim Anblick der schmutzigen Tische in der Gaststube. Am nächsten Morgen, die Nacht war ruhig verlaufen, machten wir uns schon früh auf den Weg. Kurz vor Paris trennte ich mich von der Gruppe. Mein Weg führte durch die bestellten Felder, zwischen denen, wie ein Kleinod des Glaubens, die kleine Kirche Notre-Dame-des-Champs lag. Auf einer kleinen Anhöhe zur Rechten, erhob sich die Abtei Sainte-Geneviève, mit ihren emporsteigenden Weinfeldern. Als ich oben angelangt war, blieb ich einen Moment stehen und liess meinen Blick ins Tal schweifen, wo die Seine in der sich neigenden Nachmittagssonne, gleich einem silbernen Band, sich gewunden schlängelte. Und da unten lag Paris, ein von der Sonne beschienenes blendendes Durcheinander von Dächern, Schornsteinen, Gassen, Brücken, Plätzen, Turm- und Kirchturmspitzen. Ich ging zum Brunnen der vor dem hohen Holztor der Abtei lag und erfrische mich mit einem kühlen Trunk. Ich liess linkerhand den Montmatre liegen, auf dessen Kreidefelsen es anscheinend ebenso viele Kirchen, wie es Mühlen zu geben schien. Ein Frösteln ging durch meinen Körper, als ich am Montfaucon, mit seinem Hochgericht vorbeiging. In seiner Nähe lag der Schweinemarkt, mit dem traditionellen runden Ofen in der Mitte, in dem man Falschmünzer unter grosser Volksbelustigung verbrannte. Ich durchquerrte das Universtätsgelände mit den Lehranstalten der Sorbonne, das mir noch vertraut war. Zu meiner linken lag die grosse Wiese, in dessen Mitte noch immer der Eichenbaum stand, unter dem lange vor mir, der Götterjüngling unter den Philosophen, Pierre Abélard, seinen fast gleichaltrigen Schülern das Staunen gelehrt hatte. Auch mich beschäftigte einige Zeit das Universalienproblem. Dann trat ich durch das Stadttor Place St. Michel, welche am Ende der Brücke lag und nahm den Weg in die Innenstadt. Es war einige Jahre her, als ich Paris das letzte Mal gesehen hatte. Der grosse Platz, gleich vor dem Stadtor war verschwunden und man hatte ihn mit zweistöckigen Häusern bebaut, durch die eine enge Gasse zum Stadtbrunnen führte. Die Dunkelheit war hereingebrochen und ich verspürte Hunger und Müdigkeit. Vereinzelt leuchteten in einigen Fenstern der Schein der Kerzen. Einigen Scheibern war es erlaubt, zur späten Abendstunde noch zu arbeiten. In den engen Gassen, in denen an einigen Stellen Pechfackeln angebracht waren, befanden sich nur wenige Menschen. Als ich in die Rue Lavendier einbog, sprengte mir ein Trupp Reiter entgegen. In letzter Sekunde konnte ich mich noch gegen die Häuserwand drücken, sonst hätten mich die Pferde überrannt. Wütend schickte ich ihnen einen Fluch nach. Ein Wind war aufgekommen und am Himmel hingen Wolken, dunkel und schwer und es lag Gewitterstimmung in der Luft. Ich hatte es nicht mehr weit. Hinter dem Platz Plandon, wo sich das Kloster der Franziscaner befand, lag die Rue Manais, wo Regnier Gauthier wohnte. Es war ein altes, zweistöckiges, sich zur Strasse neigendes Haus, welches jeden Moment einzustürzen schien. Mehrere Male musste ich gegen die schief in den Angeln hängende Türe klopfen. Dann öffnete sich das obere Fenster und eine mürrische Stimme fragte, ich erkannte sie sofort wieder, was man zum Teufel um diese späten Stunde noch wolle. Ich nannte meinen Namen und den meines Oheims. Ich musste ihn wiederholen, denn er war, wie mir einfiel, schwerhörig. „Ihr seid es,“ rief er dann, und in seiner Stimme lag freudige Überraschung. „Wartet, ich komme und schliesse Euch auf.“ Nach einer Weile hörte ich Schritte und knarrend öffnete sich die Türe. Der Schein der grossen Kerze, welche er in seiner Hand hielt, liess ihn vor dem dunklen Hintegrund des Flures, gespensterhaft erscheinen. Auch an ihm waren die Jahre nicht spurlos vorübergegangen waren. Einen Augenblick, er hielt das Licht vor mein Gesicht, betrachtete er mich aufmerksam. Ein Lächeln zog über sein von Falten durchzogenes Gesicht. „Tretet ein! Ich freue mich, Euch zu sehen. Lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal sahen.“ Er ging vor mir und wir stiegen die Treppe, bei der ein Teil des Geländers fehlte, nach oben. Wir traten in einen grossen Raum, welcher Wohnzimmer und Lagerhalle zugleich war. Überall brannten Kerzen, sodass, wenn auch in ein geheimnisvolles Licht getaucht, alles klar zu erkennen war. Ja, es hatte sich nicht viel geändert. „Setzt Euch. Ich werde etwas zum Essen und zum Trinken bringen.“ Er begab sich ins Nebenzimmer und nach einer Weile kehrte er mit einem Krug Wein, Käse und Brot zurück. „Es ist ein einfaches Mahl, doch es wird Euch stärken.“ Nach dem Essen, er beobachtete mich schweigend, fühlte ich mich wohler. „Nun,“ sagte er dann. „Ihr müsst mir erzählen, wie es Euch und Eurem Oheim geht. Doch wenn Ihr müde seid, so haben wir auch noch Morgen Zeit.“ Da mich der Wein und das bescheidene Mahl gestärkt hatten und ich mich wieder frisch fühlte und auch die Neugierde mich trieb, so wollte ich schon heute mir einen Überblick verschaffen. Vieles war mir bekannt, doch so manches sah ich zum ersten Male. Bernsteine, in denen versteinerte Insekten eingeschlossen waren. In einer Schachtel, welche innen mit Samt ausgeschlagen war, lag, sein ganzer Stolz, ein Holzsplitter vom Kreuze, an dem unser Herr gehangen hatte. „Von einem Juden habe ich ihn. Denkt! Einen von Jenen, welche unseren Herrn ans Kreuz geschlagen haben. Naürlich für einen Wucherpreis. Ja, so sind sie!“ Er spuckte verächtlich aus. Aus einem Regal, welcher voller Bücher war, entnahm er eine Schriftrolle, welche eine von den wenigen gewesen sein sollten, die beim grossen Brand der Bibliothek in Alexandrien gerettet werden konnte. Und ihm, wie er seufzend bemerkte, ein Vermögen gekostet habe. Ich lächelte, da ich wusste, dass man nicht alles glauben durfte, was er, im Überschwange seiner Fantasie, erzählte. Dann bemerkte ich die Statue. Ein nackter Jüngling, auf einem Sockel, Weintrauben hochhaltend, nach denen ein Panther sprang. Das Werk mochte 30 Centimeter hoch sein und war aus Marmor. Ich nahm es in die Hand und betrachtete es von allen Seiten. Die Züge des Gesichtes waren auf das feinste herausgearbeitet und jede Muskel dieses makellosen Körpers schien zu leben. Ich hatte nie etwas schöneres gesehen. Und mir war plötzlich klar, dass ich diese Figur besitzen musste. Warum? ich hätte es damals nicht sagen können. Auch später, ich fand keine Antwort. Was es auch kostete. Die Golddukaten würden reichen Ich vergass den Wunsch meines Oheims. Regnier Gauthier war näher getreten. Auf seinem Gesicht lag ein verklärtes Lächeln. „Ich fand dieses kleine Meisterwerk, vielleicht sogar von Pheidias, bei einem Trödler. Bedenkt, in einem Trödlerladen zwischen billigen Tand.“ Und als ob er meine Gedanken erraten hatte. „Doch es ist jetzt unverkäuflich. Nichts um alles in der Welt gebe ich es her. Sein Anblick hat mir so manche schöne Stunden bescherrt!“ Erregung durchzog meinen Körper und mein Herz schlug wild. Was sagte er. ´Nichts um alles in der Welt!´ Ich zog meinen Beutel hervor. „Hier“, sagte ich. „Nehmt! Dafür könnt Ihr Euch viele andere schöne Dinge kaufen. Lasst mir diese Figur!“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Sie ist unverkäuflich!“ Mit ausgestreckte Hand kam er näher. Doch ich trat einen Schritt zurück und warf den Beutel mit den Golddukaten auf den Tisch. In seinen wässerigen Augen lag zunächst ein Erstaunen, als begriffe er nicht. Dann verzerrte sich sein Gesicht. „Seid Ihr ein gemeiner Dieb und Räuber?“ Er warf sich auf mich, um mir die Figur zu entreissen. Ich sprang zur Seite und er schlug mit seinem Kopf gegen die Tischkante, stürzte zu Boden und blieb regungslos liegen. Auch ich bewegte mich nicht und blickte auf ihn herab. „M. Gauthier“, sagte ich dann und bückte mich zu ihm. Aus seiner Schläfe quoll Blut. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken und starrte in gebrochene Augen. Ich fühlte seinen Puls, der nicht mehr schlug. Eine Zeitlang blieb ich auf meinen Knien liegen. Dann sprang ich auf. Ich blickte auf die Figur in meiner Hand und mir war, als ob die edlen gemeisselten Gesichtszüge sich zu einer teuflichen Fratze verwandelt hatten. Und war nicht ein Gelächter zu hören, welches aus allen Winkeln des Raumes auf mich eindrang? ´Was habe ich getan´, hämmerte es in meinem Kopf. ´ Zum Mörder bin ich geworden!´ Die Figur in meinen Händen brannte wie Feuer und ich warf sie zu Boden. Noch einen Augenblick blieb ich vor Entsetzen, wie gelähmt stehen. Dann riss ich mich los, stürzte aus dem Zimmer die Treppe herunter auf die Strasse. Irrte die ganze Nacht umher, wie von Teufeln getrieben, bis am Morgen die Stadttore geöffnet wurden. Nie mehr habe ich Paris wieder gesehen. Auch nicht meinen Oheim.
Lange noch irrte ich alleine umher, wie mit der Schuld eines Mörders beladen. Es dauerte lange, bis ich mich wieder den Menschen zugesellte. Ich zog dahin, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, getrieben von den Laune des Schicksals und der Schuld meines Handelns, wie ein loses Blatt im Wind. Mal schloss ich mich den Gaucklern, Quacksalbern und Schaustellern an, wo ich hin und wieder aushalf, mal den flüchtigen Verbrechern und den Bettlern. Entlaufene Mönche waren meine Weggefährten und Ketzer auf der Flucht vor der Inquisition. Bis ich an die Pforte dieses Klosters klopfte und ein freundlicher Mönch mich willkommen hiess!
(Alle Beide noch ausbesserungsbedürftig!) Und mit dem Namen Stoffelin muss ich mir noch Gedanken machen.