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Der Pechvogel
© Kai Böning


Der Scheibenwischer bewegte sich monoton von links nach rechts, gleichsam im Takt mit dem Regen, welcher pausenlos gegen die Frontscheibe prasselte. Der Vorhang aus düsteren Wolken wollte kein Ende nehmen. Dieses Wetter spiegelte die Laune des Fahrers wieder, welcher in diesem Moment zum x-ten Mal fluchte, weil die vor ihm fahrenden nicht in die Pötte kamen. Dabei hatte er, Manfred, es doch sehr eilig. Schnell zum nächsten Termin mit einem potentiellen Kunden. Gedankenverloren zupfte Manfred sich an seinem ergrauenden Bart. Was sollte er denn auch in dem Moment anderes tun, stand er doch an einer roten Ampel. Seit 5 Monaten machte er nun schon diesen Job als Vertreter. Oder auch Kundenwerber, wie die Beamten beim Arbeitsamt ausdrückten. Oh wie er es bereute diese Arbeit angenommen zu haben. Er war ziemlich verzweifelt gewesen, keine Arbeit, die Freundin hatte ihn mit Kind verlassen, Unterhaltsforderungen,.... Die Liste der Unannehmlichkeiten nahm kein Ende. Wovon sollte er zahlen? In seinem gelernten Beruf wollte ihn keiner in seinem Alter mehr haben. Wie drückte der Beamte das aus? „Es ist eine Frage der Zumutbarkeit“, sprich, Manfred konnte den Job machen. Punkt.

Hinter ihm hupten die Autos da er bei grün noch nicht losgefahren war. „Jaja, ihr dummen Säcke“ fluchte er so vor sich hin. Die Reifen quietschten als er losfuhr. Leute schauten sich nach ihm um aber das interessierte ihn nicht. Manfred hatte einen Termin den er einhalten mußte. Das war heut sein letzter bevor er nach Hause fahren konnte. Verstohlen blickte er auf sein Navigationsgerät unter dem Radio. Dies hatte er sich neu gekauft da er soviel unterwegs war und nicht immer die Straßenkarten analysieren wollte. Jede Woche kam eine andere beschissene Stadt dran. Es war ja nicht so, dass er für seinen Arbeitgeber nur in einer Stadt tätig war. Nein, er mußte ganz NRW betreuen. Man(n) hatte ja sonst nichts zu tun.

Am Anfang war Manfred noch neugierig gewesen wie der neue Job wohl so sein würde. Seine Vorgesetzen hatten ihm einen hohen Verdienst und satte Provisionen versprochen. Und er gehörte leider zu d er Sorte, die ganz schnell die Dollarzeichen in den Augen stehen hatten, ohne nach den Haken zu schauen. Jetzt fuhr und fuhr er herum in den Städten und konnte froh sein wenn er am Tage vielleicht 2 bis 3 neue Kunden an Land ziehen konnte. Die Reaktionen der Menschen, mit denen er ein Gespräch führte, ließen ihn jeden Tag aufs Neue überraschen. Manche lehnten direkt eine Kontaktaufnahme ab, andere schlugen ihn vor der Nase die Tür zu, wieder andere ließen ihn reden und reden ohne aber danach etwas zu kaufen. Es gab sogar ein paar Spezialisten die meinten, sich über ihn lustig zu machen oder ihn zu bemitleiden.

Manfred konnte vieles vertragen doch Mitleid hing ihm zum Halse raus. „Mist!“ dachte er sich, „hier hätte ich links abbiegen müssen.“. Seine Konzentration ließ nach, schließlich war er auch schon seit 10 Stunden auf den Beinen. Er durfte nicht soviel nachdenken. Zur Ablenkung schaltete er sein Radio ein wo noch die letzten Laute des Liedes „Don’t worry, be happy“ verklangen und die Nachrichten begannen. Er wußte nicht was schlimmer war. Das Lied oder die Nachricht von der Bombenexplosion in Istanbul wo wieder 20 Menschen getötet wurden. Dies war ein Grund warum er eigentlich nie Nachrichten hörte. Gab es da denn noch etwas Erfreuliches zu hören? Die ganze Welt stank doch förmlich nur noch nach Bösartigkeit.

WUMMS! Da war es passiert. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und schon hatte er einem die Vorfahrt genommen. „Ich Idiot“ schimpfte er so mit sich selber, „als ob ich nicht schon genug Ärger am Halse hätte“. Manfred stieg aus und wurde natürlich bis aufs letzte Hemd Naß. Die Formalitäten wurden schnell erledigt und man mußte glücklicherweise keine Polizei rufen. Wenigstens etwas Erfreuliches. Eine halbe stunde später saß er wieder hinter dem Steuer und wollte weiterfahren. Ein Blick auf sein Handy zeigte, das er einen Anruf in Abwesenheit bekommen hatte. Nach dem Abrufen der Mailbox verzog sich seine Miene: Der potentielle Kunde hatte abgesagt.

Eine Stunde später saß Manfred auf seiner Couch, das Essen dampfte in dem Teller und das Bier stand auf dem Tisch, als er sich überlegte morgen zu seinem Chef zu gehen und zu kündigen. Er hatte ein Grinsen im Gesicht. Heute war Mittwoch und im TV waren eben die Zahlen der Lottoziehung gezogen worden. 6 Richtige mit Superzahl!!!! Freudestrahlend ging er zu seinem Jackett um den Schein heraus zu holen. Die Jacke, welche er heute anhatte. Welche jetzt ganz naß und durchgeweicht war da Manfred eine halbe Stunde im Regen stand wegen dem Unfall. Schweißperlen im Gesicht, wühlte er darin und holte schließlich ein durchgeweichtes, nicht mehr lesbares Stück Papier heraus. Eine halbe Stunde lang fluchte er vor sich hin und heulte fast vor Zorn. Danach ging er schlafen, zog sich die Decke über den Kopf und wollte nichts mehr sehen.
Morgen mußte er wieder arbeiten gehen und Kunden werben...


Anmerkung: Jeder Autor steckt bekanntlich mal in den Kinderschuhen...dies ist mein allererster Versuch! Daher ist Feedback sehr erwünscht. Ich muß noch sagen, das diese Kurzgeschichte, und sie ist ja wirklich kurz, aus einem von mir ausgedachten Vorgehen entstanden ist. Ich suche mir 5 verschieden Wörter zufällig aus dem Wörterbuch aus und versuche innerhalb von kurzer Zeit (ca. 1-2 Stunden) daraus eine zusammenhängende Geschichte zu schreiben. Die oben geschriebene ist das erste Exemplar dieser Idee. In diesem Falle wurde eine Geschichte um die Wörter "Bösartigkeit, Navigation, Zumutbarkeit, neugierig und Kundenwerber" gesponnen....