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“Caballo,” zischte ich und hob die Hand.
Cara ’e Caballo huschte gebückt auf mich zu.
Ich winkte ihm und verschwand im Busch. Als er vor mir auftauchte, zeigte der Lauf meines Gewehrs auf seinen Bauch.
“Que coño esta pasando- was ist los, Musiú?” keuchte er.
“Ich weiss nicht, erklärs mir du.“
„Lass den Quatsch! Sie haben uns aufgelauert. Chicho ist tot. Mich haben sie nicht erwischt.“
Sein blutiges Hemd zeugte vom Gegenteil.
„Streifschuss“, erklärte er, als ich ihn fragte.
„Was ist im Camp passiert?“
“Nos jodieron. Wir sind erledigt. Holen wir den Comandante. Er ist verwundet.”
“Schwer,”wollte er wissen. Offensichtlich überlegte er ob es nicht vorteilhafter war den Comandante seinem Schicksal zu überlassen.
“Er wird überleben, wenn wir ihm helfen.”
Cara ’e Caballo starrte mir ins Gesicht und wartete darauf, dass ich sagte, lassen wir ihn krepieren.
Als meine Reaktion ausblieb, zuckte er die Achseln und sagte:
“ Okey, gehen wir.”
Wir trafen den Comandante auf halben Weg zum Fluss, entgegen meiner Anweisung, wahrscheinlich aus Argwohn in der Meinung ich würde nicht zurückkehren. Seine Erleichterung liess er sich nicht anmerken. Vielleicht waren seine Schmerzen auch zu gross. Natürlich hatte der Blutverlust ihn geschwächt und er war nicht in seiner Höchstform.
“ Ich habe keine Ahnung wohin wir kommen, wenn wir dem Fluss folgen,” erklärte ich dem Comandante, aber ich weiss von ein paar Baumstämmen, aus denen wir ein Floss bauen können. Wir können uns dann flussabwärts treiben lassen.”
“Circa fünfunddreissig Kilometer flussabwärts liegt ein Dorf,” sagte der Comandante und fügte dann hinzu.
“Wir sind in Kolumbien.”
“Okey, vamonos.”
Natürlich erwähnte ich nicht, dass ich die Baumstämme vorbereitet hatte, sowie alles nötige Material und auch Werkzeuge zum Flossbau verborgen hatte, zusammen mit einer rasierklingenscharfen meterlangen Machete. Man konnte ja nie wissen, wie einmal meine spätere Kündigung aufgenommen worden wäre.
Wir folgtem dem Flusslauf gute drei Stunden um die Baumstämme zu erreichen. Der Comandante wurde zusehens schwächer. Ich stützte ihn und trug ihn streckenweise. Auch Cara de Caballo hatte sichtlich Schwierigkeiten zu gehen, aber er torkelte stoisch weiter. Es wurde Nacht, die Mosquitos stachen unbarmherzig. Wir beschmierten jeden Zentimeter Haut mit Lehm. Es war zu dunkel um das Floss zu montieren.
“Comandante, wer sind die Typen die uns überfielen, “ wollte Cara de Caballo wissen.
Der Comandant schwieg eine Weile und meinte dann es müssten Leute des Kartells von Medellin gewesen sein, die keine Konkurrenz duldeten.
Ich hörte, staunte und schwieg. Im nächsten Morgengrauen, machten wir uns daran das Floss zu basteln. Der Comandante hatte Fieber. Wir mussten uns beeilen.
Vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir in Manicaure an . Der Comandante fieberte stark und war meistens bewusstlos. Zwischendurch stöhnte er vor Schmerzen. Auch Cara de Caballo war erschöpft. Seine Wunde hatte sich entzündet, aber nachdem ich einen Stoffetzen herausgezogen hatte, schien sie sich zu schliessen.
“Wir hatten einen Jagdunfall,” erklärte ich den ungläubigen Dorfbewohnern. Wir brauchen einen Arzt.
“Hier gibts keinen Arzt“, erklärte ein älterer ausgemergelter Mann, aber als ich die Stirn runzelte, fügte er hinzu:
„ Es gibt eine Krankenschwester die zufällig heute hier ist.”
“Führe uns zu ihr“, sagte ich und als er zögerte hob ich wie zufällig den Lauf meiner Waffe und zeigte auf seinen Bauch.
Gewiss linderte normalerweise das Aussehen der jungen Krankenschwester automatisch die Krankheitssymptome bei männlichen Patienten, jedoch half es nichts im Falle des Comandantes. Er erwachte nicht einmal aus seinem fiebrigen Schlaf.
Sie musterte uns kurz und erstellte augenblicklich eine Diagnose über unsere Berufssparte.
Das war gut so, wenigstens gab es daraufhin keine Einwände über ihre Zuständigkeit. Sie machte sich sofort an die Arbeit. Wir trugen den Bewusstlosen in eine baufällige Hütte die als Consultorio diente. Sie schnitt den stinkenden Verband von der Wunde und wusch sie mit abgekochtem Wasser und dann mit einer sterilisierenden Flüssigkeit. Schlieslich gab sie dem Comandante eine Spritze mit einem Antibiotikum und drückte ihm ein Zäpfchen gegen das Fieber in den After. Dann verarztete sie Cara’e Caballo. Mehr konnte sie nicht tun.
Wie sollte es weitergehen?
Cara de Caballo brachte von der Dorfgemeinschsft „gespendetes“ Essen. Der Comandante war erwacht und schlürfte gierig Mangosaft.
Wir wussten natürlich, dass die Polizei und Militär bereits über unser Hiersein unterrichtet waren und es konnte nur noch Stunden dauern, bis sie kamen um uns festzunehmen. Zum ersten Mal fand ich unsere Lage ziemlich aussichtslos, das heisst wenigstens die des Comandanten und Caballos. Ich würde mich im letzten Augenblick in den Busch verdrücken und hegte eigentlich keinen Zweifel, dass mir ein Entkommen gelingen würde.
Cara ’e Caballo und ich rasteten bei einer „geschenckten“ Flasche Rum im Schatten der Hütte in der der Comandante manchmal leise stöhnte und berieten über unser weiteres Vorgehen.
Das Brummen eines Flugzeugmotors schreckte uns auf.
Ein bestürzter Ausdruck überzog Cara ’e Caballos Gesicht. Ich grinste. Unser Transportmittel war auf dem Weg. Ich stand auf und sah nach dem Comandante. Er war wach und schien bei Sinnen.
“Du weisst ja wo wir sind”, sagte ich beiläufig aber ohne meinen spöttischen Vorwurf zu verheimlichen.
“Wo willst du hingeflogen werden?”
Er sah ungläubig auf. Dann hörte auch er den Flugzeugmotor. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hatte verstanden.
“Musiú, du hast das Zeug zu einem Guerrillero. Fliegen wir nach B.”
“Wir müssen die Autonomie des Flugzeugs berücksichtigen. Der Tank wird bestimmt nicht voll sein.”
“Es ist nicht weit. Wenn wir das Flugzeug kapern, kommen wir hin. Aber wir müssen in der Nacht landen. Ich erkläre dir alles hernach.”
Cara ’e Caballo und ich beeilten uns zur Rollbahn zu kommen. Drei Männer warteten bereits. Einer hatte eine Pistole zwischen seinen Wanst und den Gürtel gezwengt. Wir stellten uns wortlos hinter sie. Ich presste dem Pistolero den Lauf meines Gewehrs in den Rücken und Cara de Caballo nahm ihm sein Mordinstrument ab.
Am Rand des Rollfelds warteten wir auf die Insassen der Cesna, die jetzt zum Halten gekommen war. Vier Männer sprangen heraus. Der letzte – offenbar der Pilot- sperrte das Flugzeug ab. Er war als einziger unbewaffnet. Seine Gefährten hatten Gewehre umgehängt. Nervös wartete ich auf ihr Näherkommen. Cara ’e Caballos Gesicht war undurchdringlich, wenn etwas darin zu lesen war, war es Mordlust.
“Cuidado –Vorsicht”, zischte ich ihm ins Ohr, “wir brauchen den Piloten lebendig”.
Er nickte. Nach einer halben Ewigkeit waren die vier Männer in Sprechweite.
“Al suelo- auf den Boden” , schrie ich sie an. Als sie meinem Befehl nicht gleich nachkamen durchsiebte ein Feuerstoss aus Cara de Caballos Waffe den ersten von ihnen. Das half, sie warfen sich in den Staub.
“Wer ist der Pilot?” fragte ich. Niemand antwortete.
“Bueno”, presste ich hervor, “wie ihr seht versteht mein Compañero keinen Spass. Wenn ihr nicht reden wollt, erledigt er euch.”
“Du “, ich zeigte auf den Mann der die Cesna als Letzter verlassen hatte,”Bist du der Pilot ?”
“Ja,” knirschte er widerwillig.
Mit diesem Eingeständnis hatte er das Todesurteil seiner Gefährten ausgesprochen. Cara de Caballo erledigte es in Sekundenschnelle. Zu meinem Entsetzen zuckte auch der Pilot unter dem Kugelregen des Schnellfeuergewehrs und lag dann still. Wütend hätte ich um ein Haar Cara de Caballo erschossen. Der aber befahl kalt:
“Steh auf, coño ´e madre!” Und der Pilot raffte sich torkelnd auf die Beine.
“Wir tun dir nichts.Wir brauchen dich “ brachte ich zustande dem Piloten mit stockender Stimme zu erklären.
“ Wenn du mitmachst, lassen wir dich laufen.”
“Aha, und wenn ihr mich nicht mehr braucht?” fragte er mit vor Furcht schriller Stimme.
“Bezahlen wir dich und ciao.”
“Bezahlt ihr mich mit einer Kugel in die Stirn.”
“Sei nicht albern. Wir haben nichts gegen dich und ausserdem sind wir nicht undankbar.”
“Ich bin gerührt angelito - Engelchen.”
Offenbar hatte sich der Mann schon wieder gefangen.
„Wer bist du denn, wo ist der Comandante?”
“ Man nennt mich Musiú, die rechte Hand des Comandanten in der Region.”
“Ich möchte mit dem Comandante sprechen.”
“Sei nicht dickköpfig, der Comandante kann jetzt nicht mit dir sprechen.”
“Warum nicht?”
“Das geht dich nichts an. Verlass dich auf mich. Ich halte mein Wort im Guten wie im Bösen.”
“Ich habe noch nie von einem Musiú gehört. Was ist, wenn der Comandante anders denkt?”
“Das wird er nicht.”
Zu meiner Überraschung hatte meine Stimme tatsächlich einen metallenen Klang.
Drei Stunden später landeten wir auf der Piste einer Hacienda. Der Comandante schickte Cara ’e Caballo nach einem Mann den er „El Cordobes“ nannte.
Im Flugzeug befanden sich fein säuberlich gestappelt Plastikbeutel mit Kokain das unsere mörderischen Konkurrenten aus unserem Labor mitgenommen hatten, als Zahlungsmuittel in unserer Situation nicht zu verachten. Den Piloten liess ich mit einigen Kilos von diesem Zeug laufen, ehe der Comandante den Befehl zu seiner Hinrichtung geben konnte. Über sein Schicksal weiss ich nichts. Das Flugzeug konfiszierte ich. Stunden später brachte El Cordobes einen Piloten und wir flogen weiter.

Es wäre sogar jetzt meiner Gesundheit nicht zuträglich, wenn ich die Örtlichkeiten und Umstände schilderte unter denen der Comandante genas.
Von seinen Leuten wurde ich respektiert, aber ich wollte nichts sehnlicher als mich von dieser Truppe zu distanzieren. Jakob Klein schien mir ein guter Vorwand, um aus ihrer Umgebung zu verschwinden und mich nach Caracas abzusetzen. Ich bat den Comandante um seine Hilfe.
“Erinnerst du dich noch daran, was du mir über Bezahlung von Dienstleistungen gesagt hast?”
“Ja, warum?”
“Weil ich bei Jakob Klein für meine Arbeit kassieren möchte.”
“Ausgezeichnet!”
“Ausserdem möchte ich wissen, wer Ninoska ermordet hat und warum. Jetzt, wo ich über eine gewisse Liquidität verfüge, kann ich mir das leisten.
Jakobs letzte Worte über die Geilheit und Neugier meiner Frauen waren in mein Gedächtnis geäzt.
“Verheddere dich nicht in Sentimentalitäten!”
“Keine Angst, aber ich muss herausfinden, wer mich herreingelegt hat.”

HI Onivido
Klasse! Ich warte freudig auf die nächste Folge.

Das Ende dieser Episode macht ja auch Appetit auf mehr. Ich denke der Reiz liegt auch darin, dass wir immer neue Schauplätze erleben. Gefängnis, Elendsviertel, Drogenküchencamp, Schungeldorf und nun geht wohl wieder in die Stadt.

Macht Spaß, es zu lesen.

Gruß,
Tessy