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Alle Jahre wieder


>> Schätzchen die Flugtickets sind da! Rief, Nein, flötete meine Mutter die Treppe hinauf.

Ich tat als hätte ich nichts gehört, stöpselte die Hörer meines Ipods tiefer in die Ohren und versank in den Klängen von Linking Park, innerlich angespannt bis zum zerbersten fragte ich mich was das sollte. Wieder einmal musste ich mit meiner Mutter in den Sommerferien nach Tunesien, genauer gesagt auf die Insel Djerba und ich hasste es, abgrundtief. Vor allem weil wir nur deshalb in den Urlaub flogen, damit meine Mutter sich von irgendeinem Strandgigolo verwöhnen ließ, während ich mich alleine zu Tode langweilte.

Oh Nein, jetzt klopfte sie auch noch an die Tür und noch bevor ich etwas sagen konnte stand meine Mutter auch schon im Zimmer. Allein dieses zuckersüße Grinsen im Gesicht reichte schon, das ich ihr am liebsten an die Gurgel springen würde. Und wieder dieses flötende
>> Juliana Schätzchen, schau unsere Tickets sind endlich da!<<

Allein dieses Juliana, kein Mensch außer ihr nannte mich so, für alle war ich immer nur Juli. >>Mm<< war alles was mir als Antwort dazu einfiel.
>>Och, nun freu dich doch wenigstens ein bisschen. Andere Mädels in deinem Alter wären total glücklich, dass sie jeden Sommer in den Urlaub fliegen dürfen. Sie würden Sonne, Strand, Meer und all die süßen Jungs genießen und nicht immer nur miesepetrig, mit Stöpseln in den Ohren irgendwo herum hängen. Was stimmt bloß nicht mit dir?<<

>> Was mit mir nicht stimmt? Frag dich lieber was mit dir nicht stimmt! Hier miemst du seit zehn Jahren die treue immer noch zutiefst trauernde Witwe und noch nicht ganz aus dem Flieger gestiegen, bespringst du den nächst besten Tunesier, der vom Alter her dein Sohn sein könnte und lässt dich kräftig durchvögeln. Und alles nur damit die Nachbarn nicht reden und dich für die weltbeste Mutter halten, die alles für ihre Tochter tut und sogar jeden Sommer ein Urlaub finanziert, damit das arme Ding über den Tot ihres Vaters hinweg kommt. Soll ich denen mal reinen Wein einschenken?<<
schrie ich ihr entgegen und mit jedem Wort stieg meine Wut weiter im Brustkorb hinauf so das ich dachte ich würde jeden Moment in tausend Stücke zerspringen. Meine Mutter hingegen schüttelte nur den Kopf und sagte beim hinausgehen
>> Von dir lass ich mir nicht den Urlaub versauen du undankbares Gör! In zwei Wochen geht’s los und vergiss nicht wieder deinen Bikini einzupacken!<<
sie knallte die Tür ins Schloss und ich schmiss ihr ein Kissen hinterher.

Am liebsten hätte ich in diesem Moment meine gesamte Zimmereinrichtung in Einzelteile zerlegt, um den Hass auf Mama irgendwie zu kanalisieren. Auf alles einschlagen und schreien wäre jetzt genau das Richtige. Stattdessen drehte ich den Ipod auf volle Laut-stärke, so das meine Ohren vor lauter Schmerz am liebsten reiß aus genommen hätten.
Wie so oft fluchte ich still in mich hinein und sagte mir, es würde noch drei Jahre dauern bis ich endlich volljährig würde und gehen konnte - Viel zu lange!
Mindestens genauso oft überlegte ich ob es nicht besser wäre einfach die Flucht zu ergreifen, einfach nur raus aus den Fängen meiner Mutter - weg aus diesem öden, spießigen Leben und der nach außen hin gespielten heilen Welt, in der sich immer alles um den Guten Ruf und das was die Nachbarn denken dreht.

Wie oft hatte ich mich schon einfach fort geträumt, in andere Länder weit weg egal wohin, nur nicht nach Djerba. Vielleicht einfach nur ein Einsiedlerdasein in einem entfernten Waldstück, aber immer wieder hatte ich kurz vor einer tatsächlichen Flucht gekniffen.
Ich ärgerte mich maßlos über mich selbst und meine Feigheit. Wenn ich doch nur die Kraft hätte wie mein Freund Jonas einfach den ganzen Tag am Bahnhof abzuhängen, alles zu ver-weigern was keinen Spaß macht, statt dessen einen zu saufen und um zu vergessen den ein oder anderen Joint kreisen lassen und mit den Kumpels durch die Lande zu ziehen.
Ich verfluchte mich das ich so viel schiss davor hatte nicht zu wissen wo ich Pennen und was mit mir im Winter passieren würde. Immer dachte ich schon zwei Schritte weiter und machte mir damit alles kaputt.

Vor lauter Wut, Enttäuschung und den Selbstvorwürfen, hatte ich gar nicht bemerkt wie mir die Stöpsel aus den Ohren gerutscht waren und ich langsam in einen tiefen Schlaf sank.

BRRRRRRRRRRRR- >>Was, oh nein nicht jetzt oh verdammt!<< der schrille Wecker hatte mich aus meinem Lieblingstraum gerissen, wütend pfefferte das blöde Ding quer durch den Raum.
Der anschließende Blick auf dieses Folterwerkzeug offenbarte nichts gutes. Es war 3:00 Uhr in der Nacht und ich musste mich aus ihrem Bett kämpfen und mich auch noch dabei beeilen. Mama wollte schließlich rechtzeitig am Busbahnhof eintrudeln, um den Shuttlebus zum Flughafen und erst recht den Flieger gen Djerba nicht zu verpassen.

In dem Moment war ich mir nicht sicher ob mir eher zum heulen oder zum kotzen zumute war. Alles wäre in diesem Moment schöner gewesen, selbst eine fiese Zahnbehandlung hätte ich bevorzugt, als gleich freudestrahlend von meiner Mutter begrüßt zu werden.
Nach einer hastigen Hand voll Wasser ins Gesicht begab ich mich in die Küche und wurde alles andere als freudig begrüßt:
>>Willst du etwa in dem Aufzug fliegen, so geh ich nicht mit dir raus! Zieh gefälligst ein T-Shirt ohne Löcher an und nicht diese lumpige Jeans. Willst du mich bis auf die Knochen blamieren? Als ob dazu nicht schon die bleiche Haut und die zerzausten feuerrot gefärbten Haare reichen würden. Herr Gott, was hab ich nur falsch gemacht, das du dich so auf-führst?<< brüllte Mama hysterisch in meine Richtung.
>>Alles!<<
murmelte ich so leise wie möglich, schnappte mir einen Becher Kakao und verschwand wieder in mein Zimmer.

Ich würde erst wieder raus kommen wenn Mama zum Aufbruch rief und zwar in genau demselben Outfit über das diese sich gerade so aufgeregt hatte. Schlimm genug das ich nicht am heimischen Strand bleiben, mich nicht mit Freunden abhängen, geschweige denn zum W:O:A: (Wacken Open Air)fahren konnte.
Der Hass auf meine Mutter wuchs gerade ins unermessliche, als diese schon wieder nach mir rief. Nur um zur Eile zu mahnen, denn das Taxi würde jeden Augenblick eintreffen.

>>Schätzchen, Hallo aufwachen, wir sind im Landeanflug<<
>>Was, wie, wo bin ich?<<
stammelte ich und begriff nur langsam das sie geträumt hatte. Ich musste während des Fluges eingenickt sein, diese Träume der letzten Woche machten mich langsam echt fertig.

Neben mir führte sich meine Mutter auf wie durchgeknallt, keine Sekunde mehr saß sie still und sie quasselte ohne Unterlass.

Der blaue Himmel mit den kleinen Wölkchen war inzwischen nicht mehr unter, sondern wieder über uns und es offenbarte sich der erste Blick auf die Insel. Die wie eine Wüste in mitten des Meeres da lag und Stück für Stück mehr von sich preisgab. Zunächst nur der leuchtend ockerfarbene Sand, dann die vielen Dattelpalmen und schließlich der kleine Betonklumpen der sich Flughafen nannte.
Später, nach einer gefühlten Ewigkeit, die wir für die Zollkontrolle brauchen würden, werden dann wieder alle Taxi- und Busfahrer wie wild gewordenen Ameisen umher wimmeln. Bei dem Versuch „ihre“ Touristen so schnell wie möglich ins innere der Fahrzeuge zu treiben, sie einzupferchen wie eine Schafherde und genau so dumm wie selbige, würden die Touristen auch umherblöcken. Oh Mann hätte das ganze doch bloß ein Ende.

Auch wenn Mama sonst am Computer nichts gebacken bekam, hatte sie es wieder geschafft über Facebook einen Lover aufzutun, der bereits vor der Appartementanlage auf sie wartete.
Ich schätzte ihn auf Ende zwanzig und warf ihr nur ein angewiderten Blick zu, den diese schon nicht mehr bemerkte, weil sie nur noch Augen für ihren jungen Gigolo hatte. Wenigstens trug er uns jetzt erst einmal das Gepäck in das Appartement, diesmal die Nummer 12.
Mama machte mich wahnsinnig, wie sie diesen Typen anhimmelte und mit ihm tuschelte, als wäre sie ein verliebter Teenager und hätte die große Liebe gefunden. Mir war klar, dass die beiden in wenigen Minuten zu einem Standspaziergang aufbrachen.
Schließlich lief das immer so, auch wenn die Typen jeden Sommer wechselten, die Vor-gehensweise war immer gleich. Mir blieben gut zwei Stunden Zeit auszupacken und mich strandfertig zu machen. Dann würden die beiden zurückkommen und wie wild über-einander herfallen und genau das wollte ich auf keinen Fall mitbekommen. Da zog ich es vor mir etwas zu Essen zu organisieren und am Strand vor mich hin zu dösen.

Gegen Abend würde ich dann wieder zum Appartement zurückkehren im Nachbarzimmer möglichst unbemerkt ins Bett schlüpfen, in der Hoffnung der Typ sei die Nacht über verschwunden. Meistens war das der Fall, denn fast immer hatten die Jungs entweder eine Ehefrau oder streng muslimisch lebenden Eltern zu denen sie abends scheinheilig zurück-kehrten.
Die dummen Touristinnen wurden nach belieben ausgenommen wie Weihnachtgänse – Bezness (* angelehnt an das englische Wort Business / den Touristinnen sind ein Geschäftszweig auf Djerba) eben. Der einzige Trost daran war das meine Mutter nicht die Einzige war, die auf diese art Urlaub machte.

Die Tage zogen sich wie Gummi, die meiste Zeit lag ich lesend oder Musik hörend unter einem der Bast-Sonnenschirme am abgegrenzten Strand, zwischen all den anderen Sonnenanbetern, kam mir deplatziert und wie ein Huhn in der Massentierhaltung eingequetscht vor.
Weder hatte ich Augen für die weite Sicht über das türkis blau in der Sonne glitzernde Meer, obwohl ich den Ozean sonst so liebte. Noch interessierte mich der kilometerlangen Sandstrand, die außerhalb der Touristenzone liegenden verfallenen kleinen Häuser die Menzel genannt wurden, Oasen, die Totenverehungsstätten der heiligen Männer die Mara-bout hießen, die Kormorane die ein Stück weiter eine kleine Sandbank als ihr Angel-territorium beanspruchten, noch für den ein oder anderen Flamingo der statt sein Winter-domizil zu verlassen einfach geblieben war.
Auch die Ausflugsmöglichkeiten, Kultur, die auf mich inzwischen nicht mehr exotischen sondern eher vertrauten Gerüche, Bootsfahrten oder irgendetwas anderes zum Zeitvertreib interessierte mich nicht die Bohne.
Das meiste davon hatte ich ohnehin schon gesehen und einfach daliegen war immer noch besser als sich zu bewegen. Denn dann stürmten die tunesischen Männer wie Schmeiß-fliegen auf mich zu. Entweder auf der Suche nach einer „Freundin“ oder um ihre Waren anzupreisen.

Machte ich doch den Fehler den durch Taue und und kleine Pfähle abgetrennten Bereich des Strandes zu verlassen und sei es nur um die paar Meter bis zum Meer zurückzulegen und eine Runde zu schwimmen, kam mindestens einer von ihnen plötzlich auf mich zu. Kaum knirschte der pudrig feine fast weiße Sand unter meinen Füßen wurden mir Strandtücher, Wüstenrosen, Schmuck, Muscheln, Töpferwaren und sonstiges angeboten.
Ging ich ins Meer schwamm mir irgendein Sunnyboy hinterher oder kam mit Kamel, Esel oder Pferd ins Wasser geritten, um mich sofort überschwänglich zu umgarnen und mit dermaßen vielen Komplimenten zu überschütten, das diese alleine durch die Menge negiert wurden. Das es allen Touristinnen so ging, war auch kein wirklicher Trost.

Ganz selten kam dann doch mal der Moment in dem ich mich weder auf meinen Vampir-Roman konzentrieren konnte noch Entspannung bei den Klängen von Apocalyptika empfand, dann war mir nach Bewegung und schon klebte wieder ein Djerbi an mir.

Es schien als ob jeder von ihnen Deutsch konnte und einer von ihnen war besonders hartnäckig - Abdul, so hießen sie zwar fast alle, aber dieser hier war ständig in meiner Nähe. Ritt auf seinem fleckig grauen Pferd an meiner Seite und redete auf mich ein, ob ich zuhörte und antwortet oder nicht.
Wenn er nicht auf dem Pferd unterwegs war ritt er einen kleinen Esel und führte daneben ein Kamel an der Leine. Jedes mal begann er die Unterhaltung mit zahlreichen Komplimenten, wobei ich zugeben musste das mir die Anrede als Göttin der Finsteren Sonne sehr gefiel. Jedoch lief es schon bald auf sein übliches:
>>Willst du das Kamel reiten oder ein Foto machen, es wenigstens streicheln? Nein, alles Nein, willst du dann wenigstens Abdul streicheln? Du brauchst eine richtige Mann oh Mausi! Ich gebe dir fünfzehnmal Sex in die Nacht, das kann keine deutsche Mann. Komm wenigstens gib mir eine Kuss. Schatzi, du machst meine Kopf schon ganz krank von immer Nein!<<
und dann dieses schmierige Lächeln das seine vom gezuckerten Tee verfärbten Zähne zeigte.
Am liebsten hätte ich jedes mal laut los geschrien, aber was hätte es genutzt? Wahrscheinlich wäre irgendein anderer Kerl zur Rettung herbeigeeilt und den wäre ich dann auch nicht wieder los geworden. Es war zum verrückt werden und einfach nur nervtötend.

Meine Mutter sah ich in der ersten Woche kaum, nur morgens beim gemeinsamen Frühstück und mein einziges High light auf Djerba war Milchreis mit Feigenkompott. Ich liebte dieses Frühstück, hätte mich am liebsten darin gebadet, nichts war leckerer als dieser frische Feigenkompott den die Köche hier zauberten.
Meistens tauschten wir ein nur paar Belanglosigkeiten aus, z.B. ob ich auch gut darauf achtet mich mit Sonnencreme ein-zuschmieren. Unfassbar wie wenig sie über mich wusste, als ob ich ich freiwillig meine bleiche Haut ruinieren würde. Oft sprachen wir uns einfach nur ab, wann wir uns wieder treffen würden. Danach war ich mir selbst überlassen, ein Zustand der mich zu Hause wirklich glücklich machen würde, aber dort herrschte leider ihr nie enden wollender Kontrollzwang.
Auf Djerba bedeutete das neben Langeweile und genervt sein, dass ich mich den ganzen Tag mit Süßkram vollstopfte und literweise Cola in mich hinein schüttete. Mit dem Resultat das ich nachts vor lauter Koffein und Zucker nicht schlafen konnte. Dann phantasierte ich mich in andere Welten und Abenteuer auf irgendwelchen erfundenen Planeten, lebte am Grund des Meeres oder bei Vampiren und anderen mystischen Wesen. Meist fragte ich mich daraufhin ob ich langsam verrückt wurde, oder ob sich die ganze kranke Scheiße in meinem Hirn später zu Geld in Form von Drehbüchern machen ließ.

Am sechsten Tag dann war es mal wieder soweit, Mama war ganz frei für mich, juhu.
Ihr Lover musste Kondolenzbesuche bei Verwandten machen, da der Bruder seines Schwagers oder sonst wer verstorben war. Deshalb kam er die nächsten drei Tage nicht.
Es nervte so kolossal, zumal es wie bei all den anderen so offensichtlich war. Der Typ wollte sich das Wochenende über mit jüngeren Touristinnen in der Disco vergnügen und erfand eine der Standartausreden. Aber Mama hatte es ja nicht anders gewollt.

Der einzige Vorteil daran, wir saßen vor einem wunderbar riechenden und unverwechselbar gewürzten Cous Cous mit butterweich gedünsteten frischen Gemüse und etwas Hammel-fleisch, in unserem kleinen Stammrestaurant die Straße runter. Leider quasselte Mama mal wieder pausenlos völlig uninteressantes Zeug vor sich hin und war ganz darauf erpicht etwas mit mir zu unternehmen.
Mein Vorschlag die Krokodilfarm mit den unzähligen fast übereinander gestapelten Nilkrokodilen mal wieder zu besichtigen, wurde natürlich sofort im Keim erstickt.
Was eigentlich von vornherein klar war. Denn der Krokodilpfleger der die Tiere mit dem Spaten in der Hand animierte nicht nur, für Touristen zu langweilig herum zu liegen, war zwei Jahre zuvor Mutters Liebhaber.
Also schleppte sie mich zum millionsten mal über diverse Basare, zur Moschee und Synagoge, alles schon so oft gesehen und noch mehr verhasst als der Strand. Besonders galt das für die Bazare, die hier Souks genannt wurde. Auf ihnen wurde alles mögliche Angeboten und mit hinterhältigen Tricks, wie z.B. nette alte Herren, oder dem Koch aus dem Hotel den man angeblich nicht erkannt hat, die einen plötzlich ansprechen um einen dann ins Familiengeschäft zubringen.Dort redet dann ein Verwandter solange auf einen ein bis man etwas kaufte.
Immer wurde versucht soviel Geld wie möglich aus den Touristen zu bekommen. Da gab es Stände mit nachgemachten Markenklamotten, natürlich laut Verkäufer alles Echt und wertvoll, aber super günstig. Am schlimmsten waren jedoch die Gewürzhändler. Ständig wollten sie einem Gewürze auf schwatzen die alle unheimlich wertvoll waren. Immer wussten sie, durch einen in Deutschland lebenden Verwandten, den angeblich überteuerten Preis in der Heimat. Schließlich verkauften sie die Gewürze dann zu noch überteuerteren, aber angeblich spottbilligen Preisen. Gestaffelt nach Naivität der Touristen zahlten die Deutschen am meisten, dann kamen alle anderen Europäer außer den Franzosen, diese zahlten den niedrigsten Preis. Der aber immer noch vier bis fünfmal so hoch war wie der für die Einheimischen.

An jedem Stand drängte ich meine Mutter zum weitergehen. Eigentlich hätte sie nach all den Jahren wissen müssen, das stehen bleiben das Schlimmste war was sie machen konnte, aber sie genoss die schmierige Anhänglichkeit der Händler. Ich sagte ihr immer wieder:
>> Die hätten es am liebsten du könntest Dinar oder noch besser Euro scheißen, das ist alles was die an dir Interessiert.<<
laut genug das diese Typen es auch hörten. Jedes mal erntete ich sowohl vom jeweiligen Händler als auch von meiner Mutter böse Blicke, hoffte jedoch letztere würde endlich einmal kapieren was auf dieser Insel vor sich ging. Diese wollte es scheinbar einfach nicht sehen. Das sie mich damit an den Rand der Verzweiflung trieb, weshalb ich auch schon wieder mit der dämlichen Fingernagelkauerrei angefangen hatte, war ihr egal.

Einen kleinen Moment der Schwäche hatte ich zugegebener maßen auch, als mir kleine Schildkrötenbabys angeboten wurden. Fast wäre ich weich geworden und hätte eines mitgenommen, aber wie hätte sie sie durch die Flughafenkontrolle bekommen sollen? Laut Händler natürlich kein Problem...

Jedes mal wenn ich eine Shisha angeboten bekam, wurden meine Hände ganz feucht und meine Sehnsucht stieg ins unermessliche, am liebsten hätte ich eine gekauft, um damit zu Hause endlich eine vernünftige Haschpfeife zu haben. Allerdings hatte Mama mich gewarnt, dann zukünftig ganz in Tunesien zubleiben, was durchaus einen beängstigende und ernstzunehmende Drohung darstellte.

Die zweite Woche hatte gerade erst begonnen und ich zählte schon die Stunden bis zum Rückflug. Mein Heimweh ließ mich nachts inzwischen gar nicht mehr schlafen und wenn doch dann hatte ich Albträume, die mich schweißgebadet und verstört aufwachen ließen. Am Strand döste ich dafür immer häufiger richtig tief ein.
Nicht zu fassen, jetzt kommen diese „Schmeißfliegen“ auch noch bis an die Absperrung geritten, dachte ich noch unter meinem Bastschirmchen liegend, als ich auch schon angesprochen wurde.
>>Hey hübsche Frau willst du reiten, das Pferd oder mich!?<<

Demonstrativ schob ich mir die Ipod- Stöpsel in die Ohren und drehte die Apokalyptischen Reiter bis zum Anschlag auf. Als sich eine Frau drei Liegen weiter über den Lärm beschwerte streckte ich ihr die Zunge heraus, das >>Fick dich alte Schachtel<< blieb allerdings in meinen Gedanken. Ich schloss danach die Augen, so dass jeder sah das sie nicht ansprechbar war.

Ich hasste diese Typen,meine Mutter, den ganzen Urlaub und eigentlich die ganze Welt. Aber am meisten verfluchte ich meinen Körper. Musste dieser scheiß Busen dafür sorgen das ich so dermaßen erwachsen aussah? Konnte er nicht wie alles andere an ihrem Körper zart und jungenhaft wirken?
Außerdem vermisste ich Jonas und vor allem die gemeinsamen Joints. Selbst das meist verregnete und oft zu kalte Kiel fehlte mir inzwischen.

In diesem Moment würde ich alles dafür geben am heimischen Strand zu bruzzeln und mit der Klicke im kalten Meer rumzualbern statt hier vor Hitze und Langeweile einzugehen.

Als ich dann auch noch feststellte das ich am am Strand eingedöst war und und zum wiederholten Mal seit beginn des Urlaubs träumte mein Jonas wäre mit meiner besten Freundin Bente durchgebrannt explodierten meine Nerven.
Zu keinem klaren Gedanken mehr fähig rannte ich ins Wasser und schwamm soweit wie möglich raus. Ich flehte innerlich um Ruhe und klare Gedankengänge. Mein Herz raste und und ich schäumte innerlich vor Wut, weshalb ich schwamm und schwamm, zu weit wie sich schnell herausstellte, denn meine Kräfte verließen mich. Jeder einzelne Muskel krampfte, ich bekam kaum noch Luft und begann hektisch zu paddeln, mich irgendwie über über Wasser zu halten. Mit letzter Kraft schrie ich panisch um Hilfe, allerdings wurden meine Schreie immer wieder von den Wassermengen erstickt.
Jetzt hatte ich zwar endlich meinen Willen und kein Djerbi klebte an mir dran, konnte mich aber nicht mehr an der Wasseroberfläche halten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, eigentlich nur aus einigen Minuten bestehend, kam der Moment in dem ich einfach aufgab und mich sinken ließ.
Wozu noch kämpfen, ich hasste mein Leben ohnehin!

Ich sank tiefer und tiefer und das türkis blaue Wasser begann die letzten Lichtstrahlen des Himmels zu schlucken und ich spürte wie das Meer endlich kühler wurde, dann verlor ich in einem letzten Anflug zappelnder Panik das Bewusstsein.


Was soll ich sagen? Karma ist ein mieses Arschloch!
Dreimal dürfen Sie raten, wo und als was ich wiedergeboren wurde?

Hi Beeca,
ich finde die Geschichte sehr, sehr gut geschrieben. Der Inhalt beaengstigt mich. Sind das Gedankengaenge, die die europaeische Jugend nachvollziehen kann? Mir graut es. Und dann trinkt die Goere auch noch Cola. Das heisst die Verdummung der Jugend ist schon hinter dem point of no return angelangt. Zur Wiedergeburt meine ich, sie koennte vielleicht als Kamel in Tunesien ein sinnreicheres Leben fuehren. Mein aufrichtiges Kompliment zu der Geschichte. Sie schildert die Situation und Gedanken der Protagonistin so gut, dass ich mich darueber geaergert habe.
Bin gespannt auf weitere Geschichten.
Beste Gruesse///Onivido
Gerade habe ich gemerkt, dass Juliana die Geschichte nicht erzaehlt haben kann. Sie ist ja tot. Also muss es die Wiedergeburt gewesen sein. Schreiben kann aber ein Kamel nicht. Also falsch geraten.

Hi Beeca
Boooaah... echt heftig, wie negativ die trotzige Juliana so gestrickt ist. Und es ist durch Sprach- und Schreibstil durchaus glaubhaft dargestellt.
Naja, immerhin hat Mama ja offensichtlich eine Menge Spaß gehabt und Töchterchen Juliana hätte wahrscheinlich auch Alternativlokationen wie Schönberg Strand oder Kalifornien abgelehnt - zumindest, solange Mama dabei ist, oder?

Alternativ könnte das Karma noch eine Wiedergeburt als ihr Freund Jonas anbieten. Den hat es besonders hart erwischt. Die meisten von Euch werden den Kieler Bahnhof wohl nicht kennen, aber wer da abhängt ist bestimmt noch 'schlimmer dran' als Juliana.

Ich hoffe, noch einiges von Dir zu lesen.

Tessy

Vielen lieben Dank für die positive Rückmeldung

...ungeachtet der vielen Rechtschreibfehler (das/dass, Interpunktion, Groß-Kleinschreibung....)...ist das eine gut erzählte Geschichte.

Gruß, A.D.

Danke, leider ist mir die Gabe des fehlerfreies Schreibens nicht gegeben. Nächstes mal lass ich besser wieder Korrekturlesen.
Danke für den Tipp.
Schöne Weihnachtsfeiertage