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Es flatterte wild. Eine Möwe kämpfte mit ihren Konkurrenten um ein Stück hartes Brot. Eine alte Frau, die an einem Stock ging, hatte es ihnen zugeworfen. Ich sah diese Frau nicht zum ersten Mal. Sie war öfters an der Seepromenade. Obwohl sie Mühe hatte zu gehen, schien sie doch recht zufrieden zu sein. Das strahlte zumindest ihr Gesicht aus. Immer wenn ich sie sah, wurde mir bewusst, dass auch mein Leben begrenzt war. Ich war zwar erst 42 Jahre alt, aber dennoch. Wahrscheinlich war ich schon über der Hälfte. Ich war ja ein Mann und die leben bekanntlich weniger lang als Frauen. Die Möwen schien das wenig zu kümmern. Die wollten einfach das Brot. Etwas zu fressen und wenig dafür tun. Ich frage mich, ob so eine Möwe wohl realisierte, dass sie sterblich war.
Ein starker Stoss riss mich aus diesen Gedanken. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Boden. Es tat weh. Meine Hände und mein Arsch taten weh. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder zu fangen und zu realisieren, was eigentlich gerade geschehen war. Eine junge Frau lag neben mir. Sie trug Rollschuhe an den Füssen. Kaum sah sie meinen Zustand, rutschte sie zu mir rüber und fragte wie es mir ginge. Ich erwiderte, es sei soweit alles ok. Ich stand auf und putzte meine Jeans. Ein Riss klaffte am Knie. Meine Jeans hatte tatsächlich ein Loch. Ein Gefühl von Ärger sammelte sich in mir. Gerade als ich mich beschweren wollte, kam sie und meinte, sie könne es wieder flicken. Ich fragte sie, ob sie mir denn auch eine neue Hose offerieren würde. Sie schaute mich an und meinte, ob das jetzt eine Anmache sei. Ich verstummte und blickte erstaunt zurück. Wie sie nun auf solch eine Idee kam, war mir zutiefst ein Rätsel. Schliesslich war sie in mich reingefahren, brachte mich zu Fall und deswegen hatte ich nun das Loch in meiner Hose. Alles nur wegen ihr. Ich wollte gerade etwas erwidern, da unterstellte sie mir, ich wolle mich vor ihr doch nur entblössen.
Nun platzte mir der Kragen. Ich schrie sie an, ob es ihr eigentlich noch ginge. Kaum hatte ich dies gesagt, fing sie an zu heulen, was ich für ein gemeiner Kerl sei und fuhr weg. Ich stand da mit grossen Augen und offenem Mund. Was war denn mit der los? Ich realisierte, dass mich ein paar Leute ganz komisch und aggressiv anschauten. Deren Blicke ignorierte ich krampfhaft. Innerlich nervte es mich jedoch sehr. Warum war ich jetzt der Bösewicht? Ich versuchte die alte Frau zu finden, um mich abzulenken. Konnte sie jedoch nicht entdecken. Die Möwen schwammen ruhig auf dem Wasser. Ihren Hunger hatten sie gestillt. Doch was war mit mir? Ich wollte einen Tag am Wasser verbringen wie schon so viele Male und nun hatte ich eine kaputte Hose und ein schlechtes Erlebnis mit einer Frau. Ich putzte mir ein weiteres Mal die Hosen. Auf einmal spürte ich eine Hand an meinem Arm. Die alte Frau stand neben mir. Sie flüsterte in mein Ohr, ob ich wisse, dass ich eine zerrissene Jeans trage. Sie empfehle mir eine andere Hose zu tragen, das mache keinen guten Eindruck auf Frauen. Und ich sei doch allein? Sie schaute mich liebevoll an und ging weiter. Nachdenklich beobachtete ich wie sie bei jedem Schritt ihren Stock als Hilfe nutzte. Nein, ich war es nicht, der hier allein war. Sie war es. Und trotz meinem Loch in der Hose hatte sie mich angesprochen. Oder vielleicht gerade deswegen? Ich entschloss mich sie ein bisschen zu begleiten. Schliesslich hatte ich sie nun schon so viele Male beobachtet. Es war an der Zeit mit ihr mal ein bisschen zu plaudern.

© Deniz Alon

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