Literaturforum - Kurzgeschichten, Erzählungen, Romane, Gedichte - Bücher und eBooks

Wer dienstags kurz vor dreizehn Uhr die Treppen zur Bibliothek des Instituts hochsteigt, hat wahrscheinlich schon unten im Empfangsbereich gesessen und die Zeitungen durchgeblättert. Da lässt es sich eigentlich aushalten. Interessante Leute, die hier Pause machen, sich treffen oder eben einfach da sind - Franzosen, Deutsche oder auch welche von ganz woanders her. Ein paar Mal war vor Jahren ihr Sohn mitgekommen - interessiert, aufgeschlossen, und dieses Muster überträgt sich noch immer auf die, mit denen das doch so ähnlich nicht ausgeschlossen sein sollte. Es müssen ja nicht unbedingt Freunde sein. Auch mit früheren Kolegen ließe sich da sitzen, ganz zu schweigen von der Tochter, die seit Jahren wieder in der Stadt lebt. Und wenn auch familiär zuviel zwischen ihnen steht, ein halbes Stündchen an einem unverbindlichem Ort, warum denn nicht.
Alle hatten sie hier im Ausland Ähnliches erlebt, mitgemacht, dabei aber nie etwas abgemacht für später. Sich nichts versprochen für die Zeit, die verbliebe - die im Lande, die zum Leben. So schnell wie dann alles weggebrochen war; da ließe man wohl auch Vergangenes am besten ruhen oder gleich mit der Maxime der Tochter bewältigen: loslassen.

Aber das ist es ja eben. Das muss man auch können. Und wenn nicht gleich das, so doch nicht immer so ernst an die Dinge herangehen, den anderen belasten, sich belasten lassen. Jahr für Jahr wird es daher bei Halbheiten bleiben. Wie schön wäre es doch, nicht nur wegen der Bücher herzukommen - nach einem langen Wochenende, einem, das einen ungeduldig auf die Uhr sehen lässt. Immer noch nicht dreizehn Uhr.
Es steht schon einer oben an der verschlossenen Tür. Geht dann doch wieder runter. Man muss wieder runtergehen, sie auch. Es fühlt sich nicht gut an, da so zu stehen - für einen halbwegs vernünftigen Menschen. Als endlich geöffnet wird, betreten sie schliesslich doch einer neben dem anderen den Raum; von der Bibliothekarin so auch vermerkt. Der hatte sie gleich Karte und Gebühr für die nächsten Monate rübergereicht. Der Computer hatte so schnell gar nicht warm werden können. Inzwischen soll ruhig schon hineingegangen werden.
Ohne ein Wort legt sie nach einiger Zeit die auszuleihenden Bücher hin. Die Karte hat die junge Frau ja vor sich.
Ja, aber die ist! Ja, was denn? Was ist denn? Es breitet sich regelrecht etwas aus. Ein richtiger Zustand, ein Ausnahmezustand. Bis klar wird, daß der Mann von dreizehn Uhr die Karte eingesteckt hatte mit der Frage, ob es seine sei. Die würde er das nächste Mal schon wieder mitbringen, ganz bestimmt. Es ist jemand, der oft kommt.
Oft kommt sie in der Folge Er aber nicht. Immer kurz nachgefragt, erklärt, ohne Karte ausgeliehen, wenn der PC will. Wenn nicht, piepst es beim Verlassen und Betreten des Raumes.
Für ein Buch dann - ein, zwei volle Tage. An denen ist sie raus aus allem. War das damals nicht ihr großer Wunsch gewesen? Zwischendurch ein Auftauchen, Wiedereintauchen in laufende Dinge - bis einige zum Abschluss gebracht, sich erledigt haben. Die Sache mit der Karte müsste es so langsam auch sein; es kommt so ein Gefühl auf.
Tatsächlich! Jetzt ist sie zurück. Wer weiß, was sich inzwischen zugetragen hat. Sicher ist, daß sie da um dreizehn Uhr einem Anständigen begegnet ist. Begegnet und nicht begegnet.