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Sie fuhren über den Feldweg. Die Kegel der Scheinwerfer zuckten unruhig über den Schotterweg. Jedes Schlagloch ließ den Wagen erzittern, erzeugte ein leisen Rums, was sich zu einem monotonen Klopfen eingependelt hatte. Der Polizist sah die Bäume an, welche von ihrem Licht nur zitternd berührt wurden. Stumme, schwarze Gestalten am Wegrand.

Noch ein Schlagloch, seine Zähne bissen hart aufeinander, er rieb sich den schmerzenden Kiefer. Sein Kollege bremste deutlich ab und fuhr den Rest des Weges etwas vorsichtiger. Bald schon passierten sie das Tor. Der Fahrer steuerte den Wagen neben die Straße und zog die Zündschlüssel. Beide schnappten ihre Taschenlampen und stiegen aus. Walther kontrollierte noch seine Waffe, Michael tat es ihm gleich. Beide standen minutenlang ersteinmal da und lauschten in die Sommernacht. Doch außer dem monotonen Zirpen der Grillen begrüßte sie nur Stille. Auf seiner geistigen Liste hackte er schon einmal feiernde Jugendliche ab. Ihren Lärm würde man deutlich über das ganze Gelände hören.

Doch statt dessen begrüßte sie nur Dunkelheit und zerborstene Fenster. Der Polizist ließ seine Lampe erstrahlen. Langsam umrundeten sie das erste Haus, bogen von der Hauptstraße ab zwischen die Ruinen. Die Runde hatten sie schon hundert mal abgeschritten. Walther leuchtete über gesprungene Platten, Wurzeln im Gras und verrosteten Drähte. Bei den roten Häusern lauerten Stolpersteine zu Hauf. Nur sehr selten leuchtete er in die Gebäude - schon früh hatten sie bemerkt, dass man Menschen hier draußen in der Stille schneller hörte als sah. Man musste nur die Geräusche der Häuser ignorieren. Das Knacken, das Klackern von Putz, die Schreie. An diese gewöhnte man sich nur schwer. Es klang wie nach Menschen, welche heftigste Qualen erlitten. Wenn man dann zu den Schreien lief, wanderten sie fort, von Haus zu Haus. Irgendwann stand man dann in einer Ruine, vor einer Tür die vom Wind hin- und her gedrückt wurde. Und die Scharniere quietschten. Doch fiel zu leise, als das man sie so weit gehört hätte. Und wenn man einmal in einem Haus war, erinnert man sich an die ganzen Geschichten. Die Witwe, die Kinder, die Rothbaums, welche von der SS regelrecht hingerichtet wurden. Plötzlich hörte man die Russenoffiziere in den Mauern röcheln und ihre grausamen Befehle flüstern.

In die Häuser ging man besser nicht, es sei den man hörte etwas Handfestes. Ein Lachen, Musik, Schritte auf den Treppen. Sie bogen um das hohe Gebäude am Rand der Siedlung, den Ostturm, wie er genannt wurde, und schritten wieder Richtung Hauptstraße. Jemand hatte an einem Gebäude die Bretter von den Türen gerissen und die Fenster des Parterres zerdeppert, sonst viel Ihnen in dieser Nacht nichts auf.

Die beiden Männer liefen eine Weile an der Hauptstraße entlang, bogen dann wieder zwischen die Ruinen ein. Zu ihrer Rechten hatten sie vor einigen Wochen einen Leichnam gefunden. Walter leuchtete in die Eingangshalle. Der Rest des Seil hing noch am Leuchter. Der Tote war dort schon ein paar Wochen gehangen, ehe sie ihn entdeckt hatten. Er schluckte die Erinnerung hinunter und schritt weiter. Sie schlugen einen weiten Bogen hinunter zum Waldrand, im Rondell fanden sie noch die glühenden Überreste eines Lagerfeuers. Gelangweilt stiegen sie wieder den Hang empor, steuerten auf den mächtigen Bau des Kasinos zu. Sie hatten erst die Hälfte der Runde hinter sich und schon sehnte sich Walther nach einem Kaffee und einem Wurstbrot auf dem Revier. Stumm schritten sie am Kasino entlang. Der Geruch von nassem Holz drang aus dem Gebäude, durchsetzte den angenehmen Geruch der Sommernacht mit Schimmel und Krankheit. Walter schrak auf. Blieb stehen. War das Musik?

Geigen? Verwirrt sah er Michael an, der ebenso irritiert zurück starrte.

Die Polizisten gingen weiter an der Seite des Baus entlang, immer die Ecke zu Stirnseite im Blick. Brannte dort Licht im Kasino? Viel da nicht ein warmer Schein auf das rissige Pflaster der Straße?

Die Musik wurde deutlicher, ein flotter Walzer. Walther versuchte durch die Fenster zu spähen, allerdings waren diese etwas zu weit oben angebracht. Ungeduldig beschleunigten sie ihre Schritte und blieben vor der offenen Pforte stehen. Von drinnen schwirrten Stimmen von hunderten Gesprächen heraus. Die Eingangshalle war hell erleuchtet. Ein kleiner Mann im Frack sah die Polizisten fragend an.»Wollen die Gendarmen ebenfalls eintreten?« Walther beugte sich irritiert zu Michael herüber. »Hat da jemand vergessen uns etwas mitzuteilen?« Michael zuckte mit den Schultern und richtete sich an den Pinguin.

»Was wird hier gefeiert?« Der Mann schenkte ihm ein abfälliges Grinsen.

»Natürlich das 50 jährige Bestehen. Was denn sonst meine Herren?« Walther und Michael beschlossen drinnen nach einem Verantwortlichen zu suchen und traten durch die Pforte. Schnell wurde Ihnen klar, dass es sich um eine Art Kostümball handeln musste. Die Frauen hatten sich in pompöse Kleider geworfen und die Männer allesamt in einen Frack. Michael steuerte zielstrebig auf einen Mann mit kurzem, schwarzem Vollbart zu, welcher von einer Traube Menschen belagert war. »Entschuldigen Sie, sind Sie der Verantwortliche hier?«

Etwas irritiert musterte der Mann den Polizisten. » Nein, ich denke das sollte mein Vater sein. Warum genießt einer von ihnen nicht einen Perlwein, während ich den anderen zum Direktor führe?«
Michael wurde das Gefühl nicht los das hier etwas nicht stimmte. Er beugte sich zu seinem Kollegen herüber.

»Wir trennen uns auf keinen Fall!«

Etwas gequält ob dieser Neuigkeit grinste der Bärtige und wollte sie gerade eine Treppe hinauf führen, da fiel es Walther wie Schuppen von den Augen. Er packte den anderen Polizisten am Arm. »Keine Autos!« Michael schielte ihn unverständlich an.

»So viele Menschen und keine Autos weit und breit! Draußen sollten überall Autos stehen!«
Mit einem Schlag wurde es dunkel. Um sie herum standen keine Menschen, nur der Geruch alten Mauerwerks und Stille umgab sie.
Schnell traten sie aus der Eingangshalle des Kasino und musterten den Bau. Die Grillen zirpten noch vor sich hin. Hier war niemand. Walther sah Michael ins Gesicht und wusste eines.

Sie würden niemals darüber sprechen, was soeben passiert war.