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Von früh bis spät brennt in allen Räumen, denen mit Fenster und denen ohne, das Licht. Die Röhren ziehen sich fast über die ganze Länge der Decke hin. Das Tageslicht wird hier nicht gebraucht. Das elektrische ist verlässlicher, verleitet weniger zu Stimmungen oder gar unnützen Betrachtungen. Die Luft, die dem noch etwas hinzufügen könnte an störenden Empfindungen, ist längst der klimatisierten Belüftung gewichen. Der letzte Quadratmeter Innenraum moderner Großbauten wird der Nutzung zugeführt. Der Menschentag, somit wohl versehen, kann jederzeit angestoßen werden. Dahinein tritt eine - irgendeine - gerade so früh, dass es nicht weiter auffällt. So als gelte es das Leben, eilt sie zu den paar hohen Fenstern an der Frontseite, denn die lassen sich einen Spalt breit öffnen. In die überheizte, überhitzte Atmossphäre dringt ein Hauch Frische. Das ewige Gemisch aus abgestandener und voll verbrauchter Luft steht beschämt daneben. Rümpft denn sonst einer die Nase. Es ist doch immer alles bestens in der besten aller Welten. Aufhalten kann sie sich damit nicht. Die Türen der am wenigsten begünstigten Klassenräume wollen, wo immer noch möglich, geöffnet werden. Eine Spur von Licht und Luft streift deren Inneres. Niemand sagt etwas dagegen - die Gesten wirken zufällig, launenhaft. Mehr steht ihr nicht zu.
Aber all das, was in den Räumlichkeiten hängenbleibt an Versagensängsten, Blockaden oder schlimmstenfalls Löchern, wie es genannt wird, wenn das Gehirn gar nicht mehr mitspielt, das fragt auch nicht, ob ihm das zusteht. Selbst ohne dunkle Ecken, die dem am ehesten zusagen, wird es wieder zur Stelle sein, sobald die jeweiligen Personen die Schwelle erneut überschreiten. Und die wissen auch sofort, was auf sie zukommt. Negativ sind sie vielleicht zu nennen diese Emotionen, doch mit Heimtücke gehen sie nicht einher. Man muss sie nur respektvoll in Augenschein nehmen, sich der Schwachstelle vorsichtig nähern. Das vorherrschend Positive, mit allen optischen Mitteln konzipiert und durch breiten Konsens der Erfolgsmenschen gesichert, weiß dagegen nur noch eins: Es muss gnadenlos funktioniert werden. Eine zweite Chance gibt es hier nicht. Für die zur Standard-Ausrüstung gehörenden Grünpflanzen gibt es die genauso wenig. Wenn die erst mal durchhängend grünen und gelben, ist das bisschen Erde nur noch Niemandsland. Ist es so weit gekommen,lässt sich ungefragt verpflanzen, umtopfen. Da findet sich auch noch ein Plätzchen für diesen oder jenen Absenker, ein paar Blumenzwiebeln und alles, was Samenkörner so hergeben können. Um dieses sich anbahnende Geflecht scheinen des Raumes Schwingungen vorsichtig, voller Achtsamkeit zu kreisen. Wie es die Blicke damit halten,lässt sich so einfach nicht sagen. Mal sind es flüchtige, mal verstohlene, dann wieder ruht der Blick darauf, wenn einem in den neunzig Minuten die Augen des Gegenübers zuviel werden.
Wer hierher kommt, braucht die Sprache für sein berufliches Fortkommen. Man finanziert ihm die Stunden - eingangs wird er getestet, abschließend beurteilt. Der jeweilige Ausbilder stellt sich auf Niveau und Tagesform ein. Was er zu bieten hat, lässt sich so am ehesten zu eigen machen. Bei einer beliebten, angesehenen Sprache umso leichter und gewinnbringender. Der jeden Morgen bereitliegende Stapel das beste Indiz. Die Lektionen waren von den dafür Zuständigen im Planning aufgenommen und zugeteilt worden, pädagogische Karten und abzuzeichnender Stundenplan kamen in die Klarsichthüllen. Und die boten unweigerlich das gleiche Bild: ein beachtlicher Stoß in blau, einzelne rosa, orange, gelb - sonstige eben und dazwischen immer wieder ein oder zwei in grün. Aus dem Blau ließen die sich einfach nicht wegdenken. Dumme Farbwahl.
Dafür taten sich aber im Laufe der Zeit bei Grün immmer mehr Zeilen auf, in denen gar nichts mehr stand - weder Uhrzeit noch Klassenraum. Niemand der käme - und das bei garantiertem Mindestlohn. Hatten selbst mal wieder eine Lektion verdient - die Krauts. Mussten die sich denn immer reindrängeln wollen - auf Kosten anderer. Wenn man sie in der Pause so schief auf der Stuhlkante sitzen sah, wunderte es einen bloß, dass die sich noch hielt. Im Hauptsitz der Schule, der Schule überhaupt, geisterten noch Leute dieser Art rum. Vormalige Direktionen, der feinen Art alle Ehre machend, sollen kosmopolitisches Flair geschätzt und bei der Einstellung vor allem auf Persönlichkeit Wert gelegt haben. Wer die hatte, brachte im täglichen Gerangel meist auch den Mumm auf, Rechte und bescheidenes Auskommen mit Hilfe von Gewerkschaft und Betriebsrat bis zu einem gewissen Grade abzusichern. Von den Hunden gebissen wurden nach alter Manier die zuletzt gekommenen und die ohne nennenswerten Anhang.
Ob verdunkelt oder erhellt; dieses beschauliche Bild wollte dem Bereich Pädagogik gar nicht in den Kram passen. Verglichen mit den Strukturen in Übersee Weltausstellungsgetriebe. Fussvolk, das da immer ungehinderter seine Streiks veranstaltete, hatte gerade noch gefehlt. Das konnte ja bloß in Hysterie ausarten. Ein bisschen Hysterie wäre vielleicht angebracht gewesen als irgendwo plötzlich die Erkenntnis reifte, dass eben diese Leute eigentlich kein Geld einbrachten, sie in ihren nutzlosen Büros ausgehungert werden mussten. Wer sollte das verstehen. Was für eine Welt war denn das.
Ihre kam einigen von der britischen Union nahe, und als die Hunde schnappen wollten, war da wieder etwas von der ursprünglichen Menschlichkeit, der intelligenten Form. Bis zum Funktionär hätte sie es wohl nie gebracht, aber ein Zentrum mit einer Person, die sich bei Sitzungen mit der Direktion ein Bild von der Lage verschaffte und dem Personal halbwegs etwas davon vermittelte, war schon nicht zuu verachten. Fürs Protokoll gab es da immer etwas, den bezahlten Spektakel-Nachmittag obendrein. Für Neue, wenig gewiefte, ließ sich da eine Menge lernen, nicht zuletzt das Reden. Einige erhoben dabei bedrohlich die Stimme. Sie meinten es noch ernst, und das taten sie auch sonst; gaben Halt bei flüchtigem Zusammentreffen. Das reichte, um Fenster aufzureißen, Pflänzchen zu bemuttern und dem Gegenüber fest in die Augen zu schauen. Nicht wenige von ihnen normalerweise Herrschaft, hier zurückversetzt - nicht in Herrenjahre.
Für einen von denen, die das Sagen haben und einen nach ihnen benannten Platz in Berlin, wie geschaffen bei seinem Trauma. Dem Sturz in den Fahrstuhlschacht, ein naher Anverwandter hinter ihm.
Seine allererste Deutschstunde hatte kaum begonnen, als sich das Geschehen auch schon an ein scheinbar beliebiges Wort heftete und geschildert werden musste. Hier nun kamen die Worte stockend, wie von weit her. Einige wiederum schienen ein ganz anderes Gewicht zu verleihen. So wie Sturz und Stoß. Und mittendrin immer dieser Anverwandte, dem man sonstwas unterstellen konnte bis es mal wieder genug war, es wie von unten hoch kam und nicht daran glauben lassen wollte. Doch wer nahm es nicht an
"Na, kommt sie, deine Deutsche?", hieß es nach einer Weile. Zu einer Feier lud er ein. Die Ehrenlegion! Wenn das nichts war... Hatte er im Hochgefühl dessen die Widmung in den Paris-Bildband gesetzt? Musste sich da seine 'interessanteste Lehrerin europäischer Sprachen' nicht berufen fühlen die Einladung anzunehmen. Na bitte, wer hatte es nicht gleich gesagt! Mit der stimmte doch was nicht. "Maulwurf" hätte man am liebsten gesagt. Er, er sagte es in der nächsten und letzten Stunde, als die zu Ende ging. Aufhalten konnte sie sich damit nicht. Gleich würde es wieder klingeln und sie musste sich vorher noch die Hände waschen - eine Treppe tiefer. Jede Stufe ein einziger Gedanke. Der Spiegel! Bloß nicht!
Von da unten kommt der in der Vorstellung nach und nach hoch bis zu den Spiegelwänden im Fahrstuhl von Nobelhotels und weist in den Saal, in dem dieser Anverwandte bei der Feier hätte stehen können.
Sie wird irgendwie reagieren, muss sich der Monsieur de ... gesagt haben. Da war was dran. Das passte in seine geistige Welt. Ihrer gemäß wäre es gelaufen wie befürchtet. Zu nichts weiter gut als bald die Flucht zu ergreifen und am Fahrstuhl den fatalen Schritt nachzuvollziehen.