Da war der Herbst. Viel Laub. Dieses Frösteln. Sehnsucht nach Wärme, die nicht mehr gegeben ist. Der Hund, der tief und fest schläft, der träumt, er sei ein großer Krieger. Er ist alt und müde, aber tapfer glaubt er an Unsterblichkeit. Da war dieser Winter, der sich immer noch versteckt, keine Schneeflöckchen, Weißröckchen, aber meine Mutter hat er mir genommen. Sie war das Dornröschen in der Schulaufführung, nicht klassisch blond, sie hatte schwarze Locken. Die haben meinen Vater, einige Jahre später, verzaubert. Er bat sie zum Tanz, es war Karneval, Szenario der städtische Saalbau, Ende der Fünfziger, man machte sich chic, toupierte die Haare, bestellte Herrengedeck. Sekt mit Bier. Große Güte, dachte meine Mutter, so ein Flegel, mit Zigarette im Mundwinkel, Hände in den Hosentaschen, die Haare künstlerisch verstrubbelt, dann Gel, gut, das galt als cool, James Dean war angesagt. „Ich habe nie gehungert“, sagte er, „wir hatten Ziegen und Kartoffeln.“ „Hunger war meine Kindheit“, sagte sie, „und Gewitter macht mir Angst.“ „Du wirst essen. Versprochen. Wenn du Furcht hast, nehme ich dich in den Arm. Keine Bomben mehr.“ Da war dieser Frühling. Er gehörte ihnen. So unbeschwert. Dann kam der Sommer. Noch einer. Und noch einer. Wir sind vier. Die Sonne hat uns oft gekitzelt. Manchmal, wenn sie zornig war, wurde es dunkel. Jetzt ist es schwarz. Lichtpunkte sind aber da. Der Hund ist aufgewacht und sieht mich mit seinen großen braunen Augen an. So wenig, wie er verstehen kann, dass die Toten nicht mehr wiederkehren, umso mehr hofft er unermüdlich, dass das große Frauchen wieder auftaucht. „Warte nicht, Digger“, sage ich, „rieche die Jahreszeiten.
Fast jeder kommt als Genie auf die Welt und wird als Idiot begraben. (Charles Bukowski)
Ja...Karin, auch wenn du eigentlich ´nichts´ über die Jahreszeiten schreibst, vom Standpunkt der Natur aus, ausser dass es im Herbst viel Laub gibt, vorausgesetzt, es gibt auch viel Bäume, so ist daraus dennoch ein gutes Stück Literatur geworden.
Interessant ist die Bemerkung, dass Digger, so heisst wohl der Hund, an die ´Unsterblichkeit´ glaubt. Da hat er mir vielleicht einiges voraus. Doch er ist ja alt und im Alter, hat man eine andere Lebens- und Todessicht, als wenn man jünger ist. Ich halte mich noch für jung!
nach soviel Lob werden Sie sicher auch eine Beispiel verkraften.
Eine Frau sieht im Vorbeirennen in den Spiegel, zieht rennend mit dem Stift das untere rechte Lippenende nach, schiebt immer noch rennend mit dem Zeigefinger eine Strähne hoch und spuckt einen kleinen Essensrest von der Zunge und macht die Tür auf.
Das würde ich nur machen, wenn wir uns gut kennen würden, was nicht der Fall ist, was auch auf die Geschichte zutrifft, auch der begegne ich nicht so oder besser ausgedrückt, auch bei der erwarte ich einen anderen "Aufzug" und keine in Eile platzierten "Schönheitsschnipsel". Manchmal ist Eile ein Motiv, es gibt auch andere, das Ergebnis ist ähnlich. Das sind meine Empfindungen, mehr nicht.
Ach ja, der Herr barocke wird wohl alt. Und Du, doch lieber wohl Sie, ja bemerken wohl alles!
Und was soll man sonst zu Ihnen dem Gaste sagen. Ach, da fällt mir, wer sonst, nur Goethe ein:
´Du bist am Ende – was du bist. Setz dir Perücken auf von Millionen Locken. Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken, du bleibst doch immer was du bist.´
Das ´was´ sollte man durch ´wer´ ersetzen
Immerhin, bleibst du, bleiben Sie sich doch selber treu! So nützen weder Perücke noch Maske.
Dies trifft natürlich auf uns alle zu! Bei mir besonders. Wenn ich zu Weihnachten als Nicolaus auftrete, rufen die Enkel sofort: ´Schon wieder der Grossvater!´
* Ja, Karin, ich werde wohl alt, bin es ja schon, und blicke nicht immer so gut durch. Deswegen ein zweites statement. Wieder ganz ehrlich gemeint, auch wenn es nicht der gleiche Wortlaut ist!
Wenn die Geschichte ein Gemaelde waere , wuerde ich sagen "ein echter Karin".Wie immer gelingt es dir dem Leser deine Stimmung mitzugeben. Gruesse///Onivido