Literaturforum - Kurzgeschichten, Erzählungen, Romane, Gedichte - Bücher und eBooks

10. Dezember 1979, Tannenwalde- Süd, Rotkappenstelle – Ich lief auf dem langen, asphaltierten Radweg. Seicht zog der Wind an meiner Nase vorbei, die morgendliche Kälte ließ mich zittern. Unter mir und überall sonst zu erkennen war der glitzernde Schnee durch die Strahlen der eben aufgegangenen Sonne. Kaum zu glauben, es war wieder Nachmittag. Zuhause musste auf mir die Bearbeitung eines Falls warten. Vorgestern hatte mein Kollege Wieland aufs Neue eine erschütternde Begegnung erlebt:

Ein Juwelier in Nord wurde angeblich überfallen und dann, wie auf einem Bajonett aufgespießt, mit einem Messer im Rückgrat zurückgelassen. Dazu klaffte eine riesige Wunde am Kopf. Zwei Zeugen meldeten sich noch vorgestern bei uns. Und das war heute meine Arbeit: die Zeugenaussagen überprüfen. Noch dazu sollte ich mal bei einigen Freunden des Opfers vorbeischauen. So, wie ich drauf war, fast schon unmöglich!

Die letzte Nacht nagte schwer an meine körperliche Verfassung. Tante Marianne spendierte bis zum Abwinken; Lothar übergab sich; Opa tanzte feuchtfröhlich zu seine Kassettenmusik aus früheren Zeiten; Onkel Wolfram erzählte von seinen Geschichten als Jäger. Mir schwappte noch beim Laufen der Alkohol hoch. Einigermaßen riss ich mich am Riemen. Mein 40. Geburtstag im familiären und freundschaftlichen Kreise war einfach großartig, obwohl, da gab es diesen einen Zwischenfall.

Der Nachbar von meinen Großeltern, Benni, fühlte sich wohl außen vorgehalten. Mich traf keine Schuld daran. Mein Angebot, er könne auch kommen, schmetterte er lautlos ab. Also ging er seiner Lieblingsbeschäftigung nach – dem Stänkern. Hin und wieder beklagte sich der Benni wegen angeblicher Ruhestörung. Davon äußerten wir uns gelassen, nur irgendwann klopften zwei Ordnungshüter bei uns an und ermahnten uns wie kleine Kinder. Na ja, Benni dachte beim sich Einhelfen einer bitteren, Wasser ähnlichen Substanz in einem gläsernen Gefäß doch an mich.

Jetzt lief ich hier und wollte einfach nur nach Hause. Der dicke Schnee bedeckte den Weg vor mir. Kalt war es an den Händen und Füßen. Auf der Hälfte des Weges etwa erschreckte ich mich zuckend. Der Schrei eines Eichelhähers ertönte. Ich blieb stehen. Ein Rascheln folgte. Keine Blätter, sondern Äste der leblosen Bäume klirrten. Einen Schritt wagte ich noch, ehe der Häher wieder auf etwas aufmerksam machte. Der Blick folgte den kargen Baumstämme hoch bis zu den freiliegenden Wipfel. In einem hinteren zappelte er wie ein Karpfen an der Angelrute. Nun fiel der Blick herab. Ein Schatten huschte davon. Eine Person!

Der Häher nahm die Verfolgung auf. Nun schritt ich zur Tat – unbewaffnet, da die Dienstwaffe in meiner Tasche zuhause im Warmen lag. Zwar konnte sich bald eine Gefahr ereignen, doch meine Neugier reizte mich und blies die Vernunft in die Ferne. Die weiße Allee wies mir nun den Weg.

Nach gut hundert Schritten machte diese einen Knick. Und rechts von mir, am Stamm einer Birke, prangte das Werk der Person. Fast hätte ich ihn nicht vom Schnee unterscheiden können, den Manni aus der Birkenstraße im Westteil. Besonders gescheit musste der Täter nicht sein, den wohl unbeliebtesten Menschen der Stadt in einem Birkenwald verschwinden zu lassen. Fast quälte ich mit den herkömmlichen Fragen über die Tat, den Täter und den anderen Informationen, da meldete sich der Häher erneut. Diesmal erklang der Schrei von links, wohl ganz aus der Nähe der Brücke. Ohne zu zögern musste ich nach schauen.

Immer noch unbewaffnet kam ich zurück auf den Radweg, der dort kurvig verlief. Wieder wiederholte sich die Szene von vorhin: Der rosafarbene Eichelhäher quengelte auf einer Baumspitze. Nur es war eine stattliche Tanne und es lag auch nirgendwo ein kalter Körper herum, der mir einen Anblick seiner weitgehend ersparte.

Die Kälte ließ mich hart erwischen. Eigentlich wollte ich nur noch in mein Bett und mich später mit anderen Aufgabe plagen. Jetzt hinderten mich ein zappeliger Rabenvogel und eine stets flüchtende Person daran. Ich könnte auch einfach weitergehen, aber mein tierischer Kommissar wollte sich... na ja... er würde mir mit Sicherheit noch öfter in die Quere geraten, sollte ich dem Schatten zwischen den blattlosen Bäumen und dem blanken Buschwerk nicht folgen.

Längst krakeelte er wieder dort oben vor sich. Nach einem Stein brauchte ich im weißen Schnee nicht suchen. Da erkannte ich erst die Blutspritzer und die fein säuberliche Linie aus einzelnen Tröpfchen. Sie führten zur Brücke. Plötzlich schwang sich der kreischende Krawallmacher von der Tanne, haschte über meinen Kopf. Mein Blick nach ihm ließ an der Böschung hinten kurz einen menschenähnlichen Schatten vernehmen. Dort standen kleine Birken.

Laut dem fliegenden Gefährten eilte die Person fort. Ich schloss den Gedanken ans besinnliche Eigenheim aus und nahm die Verfolgung auf. Mir waren meine Schuhe in dem Moment egal. Es war zudem das erste Mal, dass ich versuchte, im hoch stehenden Schnee zu sprinten. Weitestgehend gelang es mir. Wieder befand ich mich vorn am Holzhaus. Ein leichten Kater in der Birne hatte ich nicht mehr, wohl aber ein paar Schlieren des weißen Zeugs an meiner Jacke. In dieser Situation war es mir auch egal. Wo sitzt bloß dieser Vogel?, lautete meine Frage.

Langsam kundschaftete ich die hohen Bäume aus. Zwar lief ich durch diese Gegend öfter lang, doch nie habe ich sie mir so gut angeschaut wie jetzt. Dann hallte es von der rechten Seite und wieder wurde das laute Krakeelen leiser. Damit wusste ich, dass er die Verfolgung aufnahm. Kommissar Rex halt im echten Leben, quasi! Es schien, als würden die beiden den Weg zur Brücke antreten. Ich überlegte, ob ich den Kollegen, Oberkommissar Wieland, später von diesem Vorfall berichten sollte. Er würde sich kaputtlachen. Leider hatte ich keine Kamera dabei, um alles genau zu dokumentieren. Ich hörte den Häher wieder. Ja, an der Brücke. So machte ich mich auf dorthin.

Unterwegs ließ ich mir einen Plan einfallen für den Fall, dass die Person erneut das Weite suchen wollte. Da schlug ich das nächste Rätsel an: Warum ließ diese Person nicht von seinem Vorhaben ab, wenn ein mittelgroßer, nervender Vogel permanent auf ihn aufmerksam machte und ihn damit gleichzeitig verriet? Hörprobleme?

Sobald erreichte ich die Stelle, an dem sich das Blut befand. Genervt natürlich und erschöpft. Diese sonst idyllische Gegend war mir an diesem Nachmittag fremd für mich, aber ganz und gar fremd. Zu meiner nicht groß einsetzenden Verwunderung saß er wie eine Orgelpfeife wirkend auf der Spitze. Vorsichtig und geduckt lief ich zu seinem Beobachtungsposten und schielte durch die verschneiten Nadeln. Nichts Auffälliges, Markantes zu sehen, dachte ich. Ich muss wohl näher heran.

Mein Herz hielt sich bei diesem spontanen Einsatz erstaunlich zurück. Mein Gefühl verriet mir, dass es nichts Schlimmeres sein würde. Über den Radweg schlich ich geradewegs zu drei weiteren Tannen, welche nur halb so groß waren wie die des Wachenden. Er kam übrigens auch herübergeflogen. Das war schon allmählich unheimlich. Einen Zacken unheimlicher wurde die Beobachtung, die ich gespannt verfolgte:

Unter der Brücke sah ich eine schlanke Frau. Sie trug schwarze Sachen und hielt eine Kette in der Hand, womöglich die eigene. Anscheinend war sie allein und weinte ein wenig. Nach meiner Ansicht nach konnte sie nicht der Schatten sein, der vorhin vor mir und meinem Kollegen oben fluchtartig weg gerannt war. Das wäre mit ihrer Figur gar nicht verifizierbar gewesen, sie war zu zierlich. Dann schlug sie zu. Auf wen?

Lautlos trat ich einen Schritt nach links. Dann zweifelte ich von vorn: Dort an der Wand befand sich ein liegend ein dicklicher Mann mit einer Wunde an der Hand. Eher... Nein, das war nicht die Person, die... Doch nicht vor der Frau.

Der Mann trug jedenfalls wie die reizende Frau schwarze Kleidung. Theoretisch konnte das die Person sein, eine andere Erklärung wäre mir auch sonst nicht in den Sinn gekommen. Mühselig erarbeitete ich mir einen Zusammenhang mit dem eingebildeten, nun toten Manni. Er war sehr ungern angesehen bei allen Leuten in Tannenwalde, was nicht zuletzt an seiner überheblichen Art lag.

Gerade wollte ich noch mehr sehen, da posaunte der Kollege Kehlkopf wieder in ätzend- scheußlichen Tönen. Vor Schreck rutschte ich aus und landete beinahe mit dem Kopf auf einem Birkenstumpf.

Blödes Mistvieh, dachte ich. Doch schnell musste ich das wieder zurücknehmen. Da stand plötzlich ein gebückter hinter der Frau – von mir aus gesehen. Mit einer Hand hielt er sich Schmerz verkrampft den Brustbereich. Auch er trug dunkle Sachen. Der dicke Mann auf dem Boden rief plötzlich dem Mädel zu, sie solle aufpassen. Schon wurde sie umgerissen. Brutal. Der Schnee am Rücken wirkte so kneifend kalt. Sie wurde regelrecht umgeschmissen, auf den Bauch gelegt. Panisch wehrte sie sich mit Schlägen. Es sollte nichts bringen. Der dicke Mann versuchte, sich aufzurichten. Blut umschlug seine linke Hand. Der jüngere schien alles unter Kontrolle zu haben und trat ihm aus wohl reiner Verteidigung mit voller Wucht in den Bauch und klatschte ihn gegen die Wand, während dieser halb zusammengebrochen war. Er wandte sich wieder der Frau zu, fesselte sie.

Wie parallelisiert zog das Geschehen an mir vorbei. Kommissar Kehlkopf blies derweil zur Offensive. Hätte von der Art und Weise auch der Kommissar Becker sein können. Mit dem Kopf durch die stabile Wand. Nun schüttelte ich mich kräftig und schritt ebenfalls zum Zugriff.

Davon erholt hatte ich mich erst nach fünf Tagen, solange, wie schon seit Monaten nicht mehr. Wir legten den anderen Fall mit dem ermordeten Juwelier fürs Erst an Acta. Oberkommissarin Stellfeld ließ mir am Abend, als ich Feierabend hatte, das Protokoll zu stellen. Sie sagte, ich solle es mal gründlich durchschauen. Ich nahm selbstverständlich die Zeit. Nach einmaligen Lesen stachen mir gewisse Passagen ins Auge. Um diese hier wiederzugeben, habe ich die Namen der Personen mit dem Anfangsbuchstaben der Vornamen aus rechtlicher Sicht der Anonymität dargestellt. Ich arbeitete die Abschnitte durch:

„ Tannenwalde- Süd, in der Nähe der Tapetenfabrik, 10. Dezember 1979 – Protokoll der Geschehnisse gemäß den Aussagen von Frau C, Herrn D, Herrn K und vom Kommissaren Herrn Strielau, der psychologischen Untersuchungen und der Beweissammlung der Spurensicherung.

Nach den Aussagen von Herr Strielau ereignete sich vor fünf Tagen, am 10. Dezember 1979 in der Nähe der Tapetenfabrik folgender Zwischenfall (...)“

Ja, das war mein Einleitungssatz bei der Zeugenaussage. Die nächsten Zeilen beinhalten den Fall noch mal im Detail. Besonders bemerkenswert ist, dass dem Herrn Kommissar Strielau „ ein mittelgroßer Eichelhäher, Name und Alter unbekannt“ geholfen habe. Als nächstes sind die Aussagen im Einzelnen aufgelistet. Und da geht nun die Reimerei los.

„ (...) Laut Herrn K ereignete sich die Tat wie folgt: Er und Herr D befanden sich unter der Brücke. Mit ihnen war die Frau C. Gemäß der Aussage wollten sie unter der Brücke eine Rast einlegen, da sie spaziert waren. Daraufhin wäre K kurz eingenickt. Beim Aufwachen stellte er die Abwesenheit beider fest und vernahm die Geräusche des besagten Eichelhähers. Er sei dann wieder eingenickt und beim zweiten Erwachen habe Frau C vor ihm gestanden, welche sich gewalttätig zeigte (...)“

Es klingt zunächst plausibel. Zunächst. Er erwähnte zwar meinen tierischen Begleiter, von einem Toten war nicht die Rede. War also Herr D beim Manni, um ihn zu verstecken? Spätestens jetzt zeigen sich paradoxe Tatsachen.

„ (...) Anderweitiger Ansicht war Frau C. Sie schilderte den Vorfall so: Sie und Herr D wären nicht beim K unter der Brücke gewesen, sondern im nebenan stehenden Wäldchen nördlich des Hauptstandortes. Dort, behauptete sie, sei es zu einem körperlichen Zwischenfall mit D gekommen. Einige Zeit nach der dortigen Ankunft habe sie ebenso die Schreie gehört, weshalb sie Notwehr gehandelt habe und eine Verfolgung eingeleitet wurde. Sie sah während dieser den Herrn K am Boden liegen, bevor sie durch das gesamte Gebiet streifte. Auf Höhe des vorn stehenden Holzhauses bemerkte sie, dass ihre Kette von ihrer verstorbenen Großmutter beim K war. Diese wollte sie holen und bahnte sich angeblich den Weg über ein großes Brachland. Aus südöstlicher Richtung näherte sie sich dem Hauptstandort wieder. Herr K sei wach gewesen und habe es unternommen, sie anzugreifen. Daraufhin reagierte sie mit wiederholter Notwehr. Auf der Frage nach einem Geräusch intensiven Eichelhäher antwortete sie ausdrücklich mit ´Nein` (...)“

Den Übergriff von mir bestätigte sie anschließend. Seltsam ist es doch. Laut Frau C müsste K gelogen haben und erstaunlich für mich war beim ersten Lesen, dass sie weg rannte vor jemandem, und zwar vor Herrn D. Dessen Schatten werde ich vom Radweg aus erblickt haben. Fragt sich, ob er es auch bei Manni gewesen ist.

„ (...) Herr D bekräftigte weitgehend die Aussage von Frau C. Allerdings gab er an, dass sich Herr K unter der Brücke langsam aufrappelte. Er ginge von einem Erholen aus, was er mit einer davor eingesetzten Bewusstlosigkeit gleichsetzte. Bezüglich des Hähers ergab sich aus dem Verhör, dass jener erst beim Übergriff durch Herrn Strielau für ihn auffällig wurde. Von Rufen sprach er nicht (...)“

So, damit ist es erbracht: Herr K musste geflunkert haben! Zwei Aussagen gegen ein, das spricht bekanntermaßen Bände. Herr D belastete ihn sehr, allein wegen der angenommenen Bewusstlosigkeit. K war ein bisschen mollig vom Körperbau und könnte nach dem Flüchten vor mir Kreislaufschwierigkeiten bekommen haben.

Das weitere Lesen gab mir Aufschluss über eine andere Sicht. Herr D sprach von einem Leichnam, der er bei der Verfolgung gesehen habe. Zumindest bei der kurzen Orientierungslosigkeit. Nach dem Bericht der Gerichtsmedizin zufolge konnte D den leblosen Manni auf Anhieb identifizieren. Was sollte ich jetzt noch glauben?

Theoretisch konnte D nicht von mir gesehen worden sein, da die Verfolgung erst später begann. Keine Frage also: K musste es gewesen sein!

Gespannt überflog ich den Abschnitt über die psychologischen Analyse beim Verhör. Demnach kamen vom gezeigten Verhalten alle drei in Frage: Frau C äußerte sich „ ängstlich, leise, nachdenkend wirkend“; Herr K war „ ruhig, grübelnd und wirke nicht mehr geistlich voll auf der Höhe“; Herr D wurde als „ selbstbewusst, leicht aggressiv und spontan plaudernd“ beschrieben. Unser Kult- Protokollant Paul Wenger verfasste es in einer seiner bekannten, offenen Manier. Wunderbar, aber nun zurück zum eigentlichen Thema: Die Analyse brachte keinen konkreten Aufschluss über den Sachverhalt. So mussten die Fakten herangezogen werden. Wieder stolperte ich über einige Auffälligkeiten:

„ (...) Bei der vom Herrn Kommissar Strielau beschriebenen Leiche, Herr Manfred Schulte, ergab sich dem Bericht der Obduktion zufolge ein längeres Todesdatum. Folglich starb Herr Schulte an einer schweren Kopfverletzung zwei Tage vorher. Außerdem konnten keine weiteren Fingerabdrücke von Frau C, Herrn D und Herrn K an der Leiche festgestellt werden. Einzig eine am Baum gefundene Urinprobe ergab, dass sich Herr K am Tatort befunden haben musste (...)“

Gut, das ist in der Tat außergewöhnlich. Damit wurde das Licht neu gerichtet. Keiner berührte Manni, zumal sie alle keine Handschuhe bei sich führten – aber einer war da. Herr K, der dort urinierte. Was war nun mit dem Blut auf dem Weg? Ich hatte eine leichte Vorahnung.

„ (...) Beim Blut auf dem Radweg und an einem robusten, neben dem Weg herausschauenden Ast kam bei genauerer Untersuchung heraus, dass es sich um das Blut von Herrn K handelt. Des betreffend ist auch eine Verletzung an der linken Hand des Probanden zu berücksichtigen (...)“

Also doch!

„ (...) Der erwähnte Eichelhäher konnte nachträglich von einer gegen 12:30 Uhr mittags dort passierenden Radfahrerin im Gebiet bestätigt werden. Der Name und die Adresse der Zeugin fand auf Anliegen dieser im Protokoll keine nennenswerte Erwähnung (...)“

Damit hatte ich also kein Hirngespinst. Kommissar Schreihals zog dort seine Kreise. Da aber die Sache den Kollegen wohl keine Ruhe ließ, setzten sie sich mit einem Jäger in Verbindung, der dieses Gebiet zu Jagdausübung nutzte. Auch er verwies auf diese Vogelart. Seiner Meinung nach handelte es sich um eine Familie. Leider, so ergänzte er, gab es erst vor zwei Monaten einen Fall der Wilderei in seinem Gebiet. Ja, ja, da gab es einen Vorfall, grübelte ich. Damals wurde drei Eichelhäher erschossen. Da ermittelte ich. Moment mal!

Es hakte bei mir oben. Sofort begann ich, im Schrank neben mir nach einem Ordner zu suchen und blätterte nach einer Akte. Ein wenig später ergatterte ich ein gelbes Protokoll. „ Fall vom 07. Oktober 1979“ lautete die Kopfzeile. Ich las mich kurz ein. Dann überkam mich ein seltsames Gefühl, als ich Mannis Namen unter den Tatverdächtigen erkannte.

Eigentlich glaubte ich an so etwas nicht, nein, es war irgendeiner aus seinem Personenkreis, der ihn um die Ecke gebracht hatte. Daher verstaute ich den Ordner schnell wieder und nahm mir den letzten Satz unter die Lupe.

„ (...) Hätte sich Herr Strielau nicht im Areal befunden, so hätte der Eichelhäher nicht angeschlagen und es wäre zu einem körperlichen, sexuellen Übergriff zwischen Herrn D und Frau C gekommen. Deshalb kann gesagt werden, dass Herr Strielau zu einem indirekten Störer von diesem avanciert war.

Tannenwalde/ Eida, 15. Dezember 1979, Paul Wenger.“

Es war rückblendend erstaunlich, zu sehen, was das für ein Zufall war, dass ich Frau C so helfen konnte, nur blieben mir bezüglich des Schreibens einige Zweifel. In der Folgezeit überprüften wir das Umfeld von Manni. Nach einem Hin und Her klärte sich der Mord einfach nicht auf. Ich musste bei jedem Verhör ständig an diesen gefiederten Gesellen, der mich begleitet hatte. Manni besaß eine Kopfwunde, der Häher zeigte bei der versuchten Freiheitsberaubung von Herrn D Energie entladende Aggressionen. Nein, das konnte nicht sein!

Wenn immer ich an der Rotkappenstelle vorbeilief, sah ich ihn oben in den Bäumen zappeln und es wirkte so, als ob er mich erkennen konnte, doch blieb er stumm und zeigte mir den Weg nicht mehr.