Ich gehöre leider zu jenen Menschen, die sich nie sicher sind. Fragt man mich um Auskunft, befallen mich Zweifel, ob ich auch die richtige Antwort gegeben habe. Verlasse ich die Wohnung, so weiss ich unten auf der Strasse des öfteren nicht mehr, ob der Ofen abgestellt ist, oder das Licht noch brennt. Renne ich dann nach oben, keuchend und ausser Atem, stelle ich natürlich fest, dass alles in Ordnung war. Ich wäre bestimmt ein gefundenes Fressen für einen Seelendoktor, der gerne Ausschau nach einem Opfer und nach Geld hält. Doch die Neurose ist meistens nur ein harmloser Tick und nicht selten liebenswert. Wie meine Bekannten es mir sagen.
Wie schon gesagt, ich gehöre zu jenen Menschen, die sich selbst nicht trauen. Doch dieses Mal, da war ich mir ganz sicher. Denn ich sah, wie diese Person geschickt aus dem Jackett eines älteren Mannes, eine Geldbörse herauszauberte, und sie ihrem Begleiter zusteckte. Solche Szenen kenne ich aus Kriminalfilmen, wo Teamwork gefragt ist. Die Person mit den langen Fingern war klein, schwarzhaarig, südländisch und sehr hübsch. Ihr Partner dagegen war blond, gross und breitschulterig. Und hatte ein fröhliches, sogar sympathisches Gesicht. Als dieser die Geldbörse in seine Tasche verschwinden liess, dieses spielte sich im Kaufhaus vor einem Kosmetikstand ab, trafen sich unsere Blicke. Für den blonden Riesen war es klar, dass ich sie beim Taschendiebstahl beobachtet hatte. Er lächelte breit und ich war mir nicht sicher, ob das Lächeln freundlich war, oder eine Warnung. Ich bin zwar kein Held, doch schaute ihm ernst ins Gesicht. Und war sogar bereit den Vorfall dem Hausdedektiven zu melden. Zum lauten ´Haltet den Dieb´, reichte es allerdings nicht.
Deshalb ging ich erst einmal nach draussen und zündete mir eine Zigarette an. Zwecks Beruhigung meiner Nerven. Die Beschreibung des Nord-Süd Paares hatte ich ja. Als der Glimmstängel qualmte und ich den Rauch tief einzog, bedeckte mich ein grosser Schatten. Vor mir stand lächelnd der blonde Riese. Ich zuckte zusammen und überlegte krampfhaft, ob ich ihn hier gleich zur Rede stellen sollte. Doch meine Mundwinkel gingen wie von selbst in die Breite und ich erwiderte schüchtern sein Lächeln.
Erst jetzt bemerkte ich, dass der Andere ein aufklappbares Messer in seiner rechten Hand hielt. Ich wagte kaum zu atmen und rührte mich nicht von der Stelle. Vor meinem geistigen Auge sah ich Chinatown, wo man einem zu neugierigen Dedektiven die Nase aufgeschlitzt hatte. Eine angenehme und tiefe Stimme schob das lehrreiche Bild zur Seite. „Heute haben wir endlich mal schönes Wetter, oder?“ Was sollte ich sagen. Es war in der Tat schön. Mir blieb nichts anderes, als dem zuzustimmen. Dann holte der blonde Riese zu meiner Überraschung einen Apfel aus seiner Tasche. „Sehr gesund. Doch vorher sollte man sie schälen.“
Er klopfte mir auf die Schulter. Ganz leicht und vorsichtig; wünschte noch einen guten Tag und ging zu seiner Partnerin, die lächelnd auf einer der Bänke sass. Eigentlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob sie wirklich die Geldbörse aus der Handtasche gezogen hatte. Ich hatte mich bestimmt geirrt!
baroque
-------------------------------------------------------------------------------- Niemand kommt vor Gericht, weil er gegen das Gesetz hat verstossen, sondern weil er sich hat erwischen lassen! (baroque)
Ja, solche Unsicherheiten sind Gott sei Dank menschlich! Jedoch geht nicht jede Unsicherheit von einem selber aus, wie man weiß. Besonders, wenn man "bewusst" von anderen getäuscht wurde, und sei es nur, dass die andere Seite etwas zu lachen hat. Dann steht man hinterher immer zwischen zwei Stühlen. Was soll man von denjenigen nun wirklich halten? Da fangen die Zweifel erst so richtig an, besonders, wenn es kein Ende nimmt. Zum Glück hat sich Dein Protagonist am Ende doch nur geirrt! LG!
"Konstruktive" Kritik in einem Literaturforum ist keine Besserwisserei, sondern Interesse, Aufmerksamkeit und gewidmete Zeit.
"Irren ist menschlisch", sagte der Richter zum Angeklagten "Doch nicht, wenn man Mein und Dein nicht unterscheiden kann!"
Ansonsten danke für deine Aufmerksamkeit.
Mit Grüssen baroque -------------------------------------------------------------------------------- Niemand kommt vor Gericht, weil er gegen das Gesetz hat verstossen, sondern weil er sich hat erwischen lassen! (baroque)
"Da haben Sie recht, Herr Richter," sagte daraufhin der Angeklagte. "Das ist allzumenschlisch!"
Mit Abermalsgrüssen baroque ---------------------------------------------------------- Niemand kommt vor Gericht, weil er gegen das Gesetz hat verstossen, sondern weil er sich hat erwischen lassen! (baroque)
das ist eine sympathische Geschichte, erzählt sie doch von der eigenen "Schwäche". Ob Unsicherheit oder Zwang, dieses Kontrollbedürfnis kennen wohl viele andere auch. "...auf einer Bank.." würde für mich runder klingen und als Detektiv habe ich den Dedektiv natürlich sofort aufgespürt.
Viele Grüße, A.D.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Vielen Dank fürs lesen und Kommentar, Peter. und was den Dedektiven anbelangt, so möchte ich auf Vertippen plädieren! ( In dubio pro reo!)
Mit Grüssen baroque
----------------------------------- Niemand kommt vor Gericht, weil er gegen das Gesetz hat verstossen, sondern weil er sich hat erwischen lassen! (baroque)