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Ludos Lust

Ludos Liebesleben war unspektakulär bis auf diese eine Sache. Ein Problem sah er darin nicht. Diese Sache, die ihm eine ganz besondere Freude bereitete, teilte er in den wenigen Männergesprächen, die am Tresen stattfanden und ab und an eben auch ihn einschlossen, gar nicht erst mit. Die war Privatangelegenheit, damit wäre er vielleicht sogar angeeckt. Durchaus vorstellbar, dass jemand nachgehakt hätte, da wäre er in Not geraten. So unbedingt üblich war die Sache ja nun nicht. Etwas anders hätte sie sein können. Ludo erfreute sich an dem, was ihm am Ende blieb, zu seiner eigenen Enttäuschung auch nur begrenzt. Obgleich, wie er wusste, das nicht unweigerlich zu sein brauchte. Immerhin entschied er zu guter Letzt.

Ludo mochte keine Anstrengung im Bett. Keine lästigen Ansprüche. Aufregung schon gar nicht. Er empfand sich als grundsätzlich normal, und selbstverständlich würde er auch niemals in Erwägung ziehen, sich über eine Frau unnötig ärgern zu müssen. Er war da ordentlich. Die einen kamen leise in sein Bett, blieben leise, wie er es mochte, und sie gingen wieder ohne nennenswerten Aufwand. Die anderen, die seine neu entdeckte Lust erfüllten, zu seinem leichten Bedauern nur zwei an der Zahl bisher, wurden lauter, aber das legte sich, dafür sorgte er. Grund, sich aufzuregen, hatte es bislang nicht gegeben. Das änderte sich mit der Bäckereifachverkäuferin, die nun schon zum zweiten Mal auf seiner Matratze lag und ihm Tabakqualm ins Gesicht pustete.

Der Umstand, dass Christel Bockhoff in seinem Schlafzimmer rauchte und er nichts sagte, war erstaunlich. Freilich dachte er, dass sie aus Höflichkeit durchaus hätte fragen können, und natürlich erboste ihn ihre Dreistigkeit ein wenig. Dramatisch fand er das aber nicht, das war kein Grund für ihn, sich zu verkrampfen. Von dem Qualm tränten ihm die Augen, in dem Punkt war er eben doch empfindlich, und tatsächlich hätte er etwas sagen müssen, getrost etwas Direktes, das einen schon mal zusammenzucken lassen kann. Er ließ es. Stattdessen hingen seine Gedanken dieser merkwürdigen Sache mit den Sicherheitsnadeln nach, eine für ihn indiskutable Angelegenheit, die sie von ihm verlangt hatte. Genaugenommen war es keine echte Forderung gewesen, mehr eine Anfrage, ob er das wohl machen würde. Machen könne. Er wollte aber nicht. Die Vorstellung, gewisse Körperteile von ihr zu durchstechen, um Christel Bockhoff die von ihr erwartete Lust zu bringen, stieß ihn ab. Das war ein Bild, das er nicht mochte. Gleichzeitig konnte er nicht nachvollziehen, dass Schmerzen, durch Nadeln im Fleisch verursacht, etwas mit Wonne zu tun haben könnten.

„Woran denkst du grad, Ludo?“
Die Bäckereifachverkäuferin, die Wert darauf legte, vom Fach zu sein und nicht in einer Wäscherei gelernt zu haben, griff nach dem Weinglas, das sie auf der Nachtkonsole abgestellt hatte, nahm einen Schluck, legte den Kopf in den Nacken, gurgelte, prustete, spuckte auf den Oberbettbezug, kicherte, sah ihn an. Ein neckischer Blick war das, unangemessen bei dieser Ferkelei, dachte Ludo. Er runzelte die Stirn.
„Hm.“
„So schlimm?“
„Das ist Rotwein, der geht schlecht raus. Besser, ich mach was drauf.“
Als er mit der Salzdose zurückkam, rauchte sie wieder.
„Du hast nicht geantwortet. Woran denkst du?“
„An deine Sicherheitsnadeln.“
Sie lachte, klopfte mit der Handfläche auf die Matratze, streckte sich, hob den Oberkörper an. Ihre Brüste waren groß, für seinen Geschmack hätten sie unaufdringlicher sein dürfen, klein und fest, aber er wollte sich jetzt nicht unnötig ereifern über seine Wahl. Zumal Christel Bockhoff ein nettes Mädchen war.

„Du bist aber auch ein Sahneschnittchen.“
Das hatte er Christel nach der ersten Nacht gesagt, ein, wie er fand, entzückendes Kompliment. Dafür hatte Ludo einen strengen Blick und eine grundsätzlich überflüssige Aufklärung einstecken müssen.
„Bächereifachverkäuferin.“
„Wie bitte?“
„Ich bin Bäckereifachverkäuferin. Ich hab das ordentlich gelernt.“
„Ja. Gut. Respekt. Deshalb darfst du trotzdem ein Sahneschnittchen sein. Meins.“
Da hatte sie gelächelt und seine Hand gestreichelt. Ein durchweg liebes Kind eben. So tüchtig. Und so hübsch angenehm im Bett, grad ungestüm genug, um ihn immer noch gesund durchatmen lassen zu können.

An diesem zweiten Abend, den Ludo und Christel Bockhoff zusammen verbrachten, hatte er kräftiger zugebissen als beabsichtigt, das war verfrüht und somit nicht gut, das passte nicht in sein Konzept. Ihre Reaktion hatte ihn überrascht, immerhin war diese Frau interessiert daran, von ihm durchstochen zu werden. Nach seinen Bissen, recht harmlosen, wie er befand, freilich unvorsichtig genug, hatte sie ihn von sich weggetreten.
„Du hast sie wohl nicht mehr alle beisammen, du Saukerl, glaubst du Arsch, das tut nicht weh? Du hast mich das letzte Mal schon gebissen, willst du mich fressen oder was? Vollidiot, also wirklich.“
Ludo fand das unpassend, zudem ungehörig, so mit ihm zu reden. Er seufzte, das war ja klar, musste so kommen, deutlich dreister als die beiden, die in der Scheune lagen. Allesamt Schlampen, dachte er, aber es gibt eben doch feine Unterschiede. Er sah sie an, verzog den Mund zu einer Schnute. Das hatte er geübt, Frauen fanden das süß.
„Ach komm, schon, ich knabber doch nur.“
Er legte den Arm um ihre Schulter, versuchte, sie an sich heranzuziehen. Sie machte sich ganz steif, drehte den Kopf zur Seite, damit sein Kuss sie verfehlte.
„Das passt mir nicht, ich kann das nicht leiden, und blaue Flecken gibt das auch. Da. Und da. Wenn du Penner das nicht sein lässt, bin ich weg.“
„Bitte nicht. So böse jetzt?“
„Ach was, böse. Halt dich einfach mal zurück, Ludo, sonst wird das nichts mit uns. Hätte ich dir aber nicht zugetraut, bist ja doch so ein kleiner Wilder.“
„Das war aber trotzdem nur Knabbern.“
„Das war definitiv Beißen.“
„Denkst du. Das geht anders.“
Sie stieß ihm die Faust in die Brust, das war nicht zornig, nicht kräftig, das ging in Ordnung. Dann lachte sie wieder, schmiegte sich an ihn.
„Ich hab die Sicherheitsnadeln dabei. Willst du nicht doch?“
„Nein. Wirklich nicht.“
Innerlich schüttelte er sich. Sie schien tatsächlich überzeugt davon zu sein, dass es ihm Vergnügen bereiten würde, ihre Zunge, ihre Brustwarzen, ihre Schamlippen zu durchstechen. Unabhängig von seinem Widerwillen, so etwas Abartiges zu machen, gefiel ihm das Bild auch nicht. Es wäre beschädigt, bevor er es auseinandernehmen würde. So dürfte ihm die Sache wohl kaum Spaß machen.
Er schenkte ihr Wein nach, sich selbst gönnte er auch einen Schluck, klar genug war er, strich ihr mit den Fingerkuppen über die Wange.
„Was findest du denn noch schön?“
„Ach. Tja. Viel. Alles eben. Sei nicht so blöd.“
Ludo wurde ärgerlich, wie die ihn nannte, passte ihm nicht.
„Ich bin keineswegs blöd. Aber alles wirst du wohl nicht mögen. Niemand mag alles.“
„Ich mag es, dabei gewürgt zu werden. Wohl auch nicht dein Ding.“
Ludo zögerte. Er wollte kein Spielverderber sein.
„Wenn überhaupt, dann das schon eher. Bis wohin denn?“
„Wie bitte?“
„Wie weit soll das Würgen denn gehen?“
„Vergiss es einfach.“
„Kennst du den Krawattenmörder? Da hängt bei der toten Frau die Zunge raus. Findest du das erotisch?“
„Wohl kaum, du Spinner. Ich will ja auch nicht dabei sterben.“
„So stirbst du auch nicht.“
„Wie nett. Wie denn dann?“

Ludo atmete tief durch, seufzte, beugte sich aus dem Bett nach vorn und tastete mit der Hand nach dem Messer, das unter seiner Konsole lag. Es würde also jetzt schon passieren. Ein paar Bisse, aber die richtigen, empörte Schreie, wie gehabt, Fleischfetzen am Mund, Blut im Mund, zwischen den Zähnen die Bröckchen, noch mehr lausige Schreie, das kannte er nun schon, dann das Messer, um Ruhe zu haben für die ganz großen Happen, die er wie immer nicht ordentlich herunter kriegen würde, ärgerlich genug, und wie praktisch, dass er außerhalb wohnte mit großem Grundstück und einer Scheune, in die er sie dann später bringen würde. Zwei Schlampen hatte er dort schon, die rochen mittlerweile fies, er könnte sich da mal drum kümmern. Zugegeben, doch recht gern hätte er noch ein Weilchen mit Christel Bockhoff verbracht, eine dritte und letzte Nacht wäre sein Plan gewesen. Vorausgesetzt, sie hätte ihn nicht so immens schnell aufgeregt. Gewohnt war eer das nicht, das gehörte sich auch nicht. Schade aber auch, immerhin war sie ein prima Mädchen.
Freilich zu pervers. Sicherheitsnadeln, beim lieben Herrgott. Kettenraucherin, eine fluchende, Dankeschön, zudem tolpatschig, der Wein fiel ihm ein. Nicht mit ihm, bei aller Gelassenheit.

Vielleicht könnte er Christel Bockhoffs beste Stücke auch grillen. Das wäre eine Abwechslung, bislang war das, was er aus ihnen heraus gebissen hatte, nicht ganz sein Geschmack gewesen. Enttäuschend nach all der Lust.
Ludo zog, noch während er sich wieder aufrichtete, um Christel anzulächeln, Alternativen in Erwägung. Weder roh noch gegrillt, besser gebraten oder gekocht. Oder einfach ausgespuckt. Egal grundsätzlich. Immerhin entschied er zu guter Letzt.

Also ich weiß nicht. Wenn du das unter "Grusel, Horror, Makaber, Seltsam" gepostet hättest, wäre es ja okay gewesen. Dann hätte ich wenigstens gewusst, dass mich nicht unbedingt alltägliches Erwartet. Was diese Geschichte unter "Alltag" zu suchen hat, erschließt sich mir beim besten Willen nicht.

Nun steht die Story ja (ebenso) unter "Verschiedenes", das wäre, denke ich, als Kategorie durchaus akzeptabel. Selbstredend erscheint mir auch "Makaber" als durchaus korrekt ("Horror" und "Seltsam" treffen es durchaus im Ansatz, sind freilich immer Auslegungssache, es sei denn, sie sind hammerdirekt). Verbliebe tatsächlich die Frage, was wir alle denn nun unter "Alltag" einordnen. Als nicht alltäglich erscheint auch mir ein Mann namens Ludo mit seiner schrecklich denkwürdigen Lust, nicht alltäglich ist aber auch, wenn jemand zum Frühstück ausschließlich Tomatensuppe mit eingeweichten Schokoladenkeksen löffelt. Auch dann nicht, wenn er's jeden Tag macht.
Nun irritiert mich, dass Dein Daumen, SchwabeinOesterreich, nach unten geht, weil die gewählte Rubrik Dir nicht zusagt. Wenn das alles ist, erscheint mir das als Kommentar aber schlapp. Es gibt ja noch Stil, Inhalt, Sprache, darüber könnte man hier doch gern mal das eine oder andere Wort fallen lassen, dafür steht das Forum doch, hoffe ich, immer noch. Auch, wenn hier eh' nur noch wenig in der Hose ist, weiß der Deibel, wo das hinführt ...Max, - Daumen hoch, gut, warum nicht?, ergo Danke -, hat das bereits freundlich angemerkt, korrekt denn.

Beste Grüsse an Euch,

Karin

Ist doch eine tolle Story, Karin. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht der Meinung, dass man es von vornherein mit dem Label "Grusel/Horror" versehen müsste. Da ginge ja der Überraschungseffekt verloren, der für mich den Reiz der Story ausmacht. Gerade diese leicht makabre Note, der schwarzhumorige Effekt, der sich letztlich einstellt, nachdem man mich als Leser erstmal "eingelullt" hat. Ich hab eine Schwäche für das Unvorhersehbare, deshalb Daumen hoch...
Dass der Ludo diese gewisse Neigung hat, dieses kleine Geheimnis, ist erstmal nicht vorstellbar, d.h. beim zweiten Lesen überliest man die dezenten Hinweise natürlich nicht, aber beim ersten Durchgang wird man anfangs auf eine andere Fährte gelockt... Nun ja, mir gefiel gerade dieses Spiel mit dem Makabren.
Nach dem ersten Absatz dacht ich ja: Ach nu, der Ludo, das Weichei, was was mag der wohl für ein typisch männliches "Problem" haben, ganz "originell", und da wird sich die Autorin wohl dran abarbeiten." Aber nee, eine ganz andere Schiene.

Zitat von Kared im Beitrag #3

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Nun irritiert mich, dass Dein Daumen, SchwabeinOesterreich, nach unten geht, weil die gewählte Rubrik Dir nicht zusagt.

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Danke, Max, nette Überraschung, so soll's sein, ist auch gut so.

Danke auch Dir, SchwabeinÖsterreich, dass Du nochmals d'rauf zurückgekommen bist. Nun denke ich, dass Du doch einen mächtigen Tick zuviel an Auf- und Erklärung von einer Geschichte/Erzählung, zumal im kurzen Genre, erwartest. Nimm die Story als in widergegebener Form so geschehen und betrachte sie einfach als ein Romankapitel. Wenn Du ergo weitaus mehr erfahren möchtest, musst Du das ganze Buch lesen. Es existiert übrigens keins , wird's auch nicht geben. Aber gäbe es eins, dann, versprochen, bekämst Du mit Sicherheit einige zufriedenstellende Antworten.
Okay soweit,

beste Grüsse,

Karin