Dieses Wochenende treibt es mich in die Kneipe, um zu erfahren, ob es Neuigkeiten im Fall des Kinderschänders gibt. Sein Bruder hockt auch wieder an der Theke. Er will immer noch seinen in Untersuchungshaft sitzenden Bruder verprügeln. Mit einer Peitsche aus Stacheldraht solle er doch auf das Gehänge des Missetäters einschlagen, empfiehlt ein Gast. Man erhofft sich so, das kleine Mädchen zu rächen.
Zur gleichen Abendstunde liegt die Missbrauchte in ihrem Bett und kann keinen Schlaf finden. Jeden Freitagabend haben der Onkel und ihr Vater in freundschaftlicher Eintracht gemeinsam ihr Bierchen getrunken. Sie weiß, dass der Onkel ihm sehr wehtun wird. Doch bei der Neunjährigen will sich kein Gefühl von Genugtuung einstellen. Sie versteht nur wenig von Moral, Schuld und Sühne. Sie möchte nicht, dass die Brüder sich entzweien. Ihren Vater liebt sie trotz allem, aber er hätte das nicht machen dürfen mit ihr. Es geschah ja auch nicht in jeder Freitagnacht, wenn er betrunken nach Hause kam. Nun macht sie sich sogar Vorwürfe, dass sie ihrer vom Vater getrennt lebenden Mutter etwas gesagt hatte, nur zaghaft und beschämt. Da habe die Mutter alles aus ihr rausbekommen und sie fühlte sich anfangs auch erleichtert. Aber nun.
In der Kneipe, der Onkel, er weiß nichts von den Emotionen und Ängsten der Kinder. Und mir kommt sein Geschwätz selbstgerecht vor. Soll ich ihm von den Kindern erzählen, und dass er gefälligst auf seine Nichte Rücksicht nehmen, er ihren Vater nicht mehr als Monster bezeichnen, sondern die Kleine trösten solle.
Nehmen wir an, der Onkel hätte mit ihr gesprochen. Wieder sehen wir ein Mädchen vor uns, in ihrem Bett liegend, aber jetzt nicht mehr beunruhigt. Es hat ihr gutgetan, als der Onkel ihr gesagt hatte, er glaube, ihr Vater sei kein bösartiger Mensch; er könne sich wahrscheinlich selber nicht erklären, was ihn von Zeit zu Zeit beherrscht; vielleicht sei er krank, und dass er ihm helfen werde davon loszukommen, wenn es möglich sei. Sie bräuchte sich nun nicht mehr sorgen, dass ihre Offenbarung an die Mutter zum Auseinanderbrechen der Freundschaft von Vater und Onkel führe. So fällt sie in einen ruhigen Schlaf.
_______________________________________________________________ Einen Roman zu lesen ist wie eine Kreuzfahrt, und jede abgestandene Floskel löst sofort eine Flaute aus. (Argus)
Neee. Das hat jetzt ein müder Argus geschrieben. Komplett andere Richtung. Das gehört zusammen wie der Gummistiefel zum Plüschpantoffel. Jetzt komm' mir nicht damit, das sollte extra so sein, ist mir wohl klar, ist aber in der Form extra unnötig. So.
Beste Grüsse ,
Karin
Den mag ich. Den auch. Nur mal angemerkt, mir war danach.
Neee, zusammen passen die nicht. Det is so eine Art Fallbeispiel aus der Hand des praktischen Psychologen. Ma schauen, vielleicht kommt noch ne unterschiedliche Form hinzu in der Art:
Haut dem Schwein nur weiter auf den Pimmel, so steht der bald gen Himmel, meint besorgt der Profiler.
Argus
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Den Text finde ich sehr interessant, Argus. Immerhin mal eine etwas differenzierte Betrachtungsweise, zu diesem ausgesprochen heiklen Thema. Der geneigte RTL-seher und Bildzeitungsleser wird dies sicher nicht verstehen können oder auch wollen. Und trotzdem geht mir die Differenzierung im Grunde noch nicht weit genug. Vielleicht werde ich mich eines Tages auch mal dieses Themas annehmen und auch eine kleine Geschichte dazu schreiben. Oder mehrere. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Denn das hat mir in deinem Text am besten Gefallen. Dass du unterschiedliche Blickwinkel aufgezeigt hast - auch den des Kindes - und dass du verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt hast, wie man damit umgehen kann. Aber wie gesagt, ich finde das irgendwie ein wenig halbgegoren, weil es da noch ein paar mehr Möglichkeiten und Blickwinkel gegeben hätte, die durchaus auch Beachtung verdient hätten.
Ich würde mich der Meinung des Schwaben vorbehaltlos anschließen, hättest Du auf folgenden Satz verzichtet:
ihr gutgetan, als der Onkel ihr gesagt hatte, ihr Vater sei sehr krank, und nicht bösartig, und dass er ihm helfen wird, wenn es möglich sei.
Ich hoffe es gibt nicht allzu viele Onkels, die sich als Hobbypsychologen versuchen - befürchte es aber... Der Täter ist noch nicht verurteilt (sonst würde man ja nicht auf neue Nachrichten warten) und somit auch noch kein Gutachten bekannt, aber es wird schon von einer Krankheit gesprochen.
Eine Zehnjährige schläft schon im Bett und nicht mehr im Bettchen.
Gruß, A.D.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Danke Schwabenösi und A. D. für eure Rückmeldungen, die mich ja meist erst dazu veranlassen, noch tiefer in die Problematik einzutauchen bzw. differenzierter. Ja, Schwabenösi, wenn du wie ich, Prosa darüber anfertigen willst, brauchste eigentlich gar nicht oder kaum recherieren, sondern nur phantasieren. War jedenfalls bei mir so. Weihnachten über war ich mit einigen jungen Leuten um die Zwanzig und jünger zusammen, da war auch ein Kind dabei, konnte noch nicht richtig sprechen, hat gegluckst, gesabbert und Stühle über die Fliesen geschoben. Naja, was solls.
In meinem Text sollte ich eventuell wohl das Alter der Kleinen auf acht beschränken. Hm. Krankheit oder nicht, wer weiß das schon so genau. Stoffwechselstörungen im Gehirn, die so gezielt gestört sind, um jemanden den Hitler sein zu lassen, ick wees nich, liebe Psychiater. Gutachten dienen aber wohl dazu, Aussagen zu machen über den Verlauf und die Gefährdung der Öffentlichkeit durch diese Täter.
„Na und I“ hat mir ein gewisses Vergnügen bereitet, ausgehend von einer bekloppten Pointe. „Na und II“ wollte ma einen ernsthaften, kritischen Aspekt rausgreifen. Mehr nich.
LG Argus
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Zitat von Argus im Beitrag #6„Na und I“ hat mir ein gewisses Vergnügen bereitet, ausgehend von einer bekloppten Pointe. „Na und II“ wollte ma einen ernsthaften, kritischen Aspekt rausgreifen. Mehr nich.
Die Idee finde ich ja genial! Aus einer bekloppten Pointe einen kritischen Aspekt herausgreifen. Aber dazu wäre halt tatsächlich ein wenig Recherche und Detailtiefe wünschenswert.
Wenn Du erlaubst, werde ich demnächst hier mal "Na und III" posten. Vielleicht verstehst Du dann was ich meine.
Ich bin schon ganz gespannt auf deinen Text. Also, ich hätte keine Lust, mir die ganze Mühe zu machen. Wünsch dir gutes Gelingen.
LG Argus
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