Wie bereits angekündigt, hier noch zwei Perspektiven. Da der Text weitaus länger ist, als 300 Wörter, habe ich ihn unter Allgemein gepostet. Aber um beide Perspektiven zusammenzufassen geht es meiner Meinung nach nicht kürzer. Die eine Perspektive - die des Täters - hat mir von Anfang an gefehlt, die andere ist mir eingefallen, als der User Andere Dimension etwas von einem Gutachten geschrieben hat. Aber lest selbst:
Routine stellt sich bei sowas einfach nicht ein. Vielleicht ist das auch gut so, aber professionelle Distanz ist bei so einem Beruf trotzdem lebenswichtig. Sonst erschlägt es einen bald selber. Das weiß auch die vom Gericht bestellte Gutachterin, die nun ein psychologisches Profil des in U-Haft sitzenden, mutmaßlichen Kinderschänders anfertigen soll. Und auch wenn sie das nicht zum ersten Mal macht, so hat sie doch auch dieses Mal – eigentlich wie immer bei solchen Fällen – ein ungutes Gefühl. „Ich hätte das nicht tun dürfen“, schluchzt der Mann, kaum dass sie bei ihm ist. „Es war falsch, und ich weiß es. Ich liebe meine Tochter doch.“ Erst jetzt schaut er sie an. Ob er sie durch die tränengefüllten Augen wirklich genau sehen kann ist unklar. Die Reue steht ihm quasi ins Gesicht geschrieben. Aber Mitleid mit ihm will sich noch nicht einstellen. „Erzählen sie mir davon, wie es zum ersten Mal passiert ist!“, fordert die Psychologin ihn nun auf. Er beginnt: „Ich bin jeden Freitag mit meinem Bruder einen heben gegangen. Ab und zu waren es auch zwei oder drei. Das Problem ist, je mehr ich gesoffen habe, desto geiler wurde ich. Einmal habe ich versucht mich an die Kellnerin ranzumachen, aber die hat mich dann zusammen mit dem Wirten einfach vor die Tür gesetzt. Als ich nach Hause gekommen bin war ich immer noch spitz wie Nachbars Lumpi. Ich dachte eigentlich, dass meine Tochter schläft, schließlich habe ich sie schon vor Stunden ins Bett gebracht. Aber nun stand sie in der Tür ihres Zimmers und fragte: ‚Papa, wo warst du so lange?‘ ‚Du solltest doch schlafen‘, habe ich gesagt, habe sie hochgehoben und in ihr Bett getragen. Dabei ist ihr Nachthemd hochgerutscht. Ich habe ihren warmen Körper gefühlt – und ich war doch ohnedies schon so geil. So ist es eben einfach passiert. Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber ihr schien es eigentlich gar nichts auszumachen. Und so ist es in den folgenden Wochen eben noch öfter passiert. Immer freitags, wenn ich vor der Kneipe nach Hause gekommen bin. Also nicht jedes Mal. Sie ist ja auch nur alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag bei mir.“ Er erzählt eine ganze Menge Details und Geschichten rund um sich selbst und seine Tochter und auch über die Mutter des Kindes. Er redet sich richtiggehend in Fahrt. Die Psychologin sitzt nur schweigend daneben und macht sich gelegentlich Notizen. Mit dem Satz: „Herrgott, ich will doch gar nicht pädophil sein!“, beendet er schließlich seinen Monolog und verfällt wieder in einen Weinkrampf. „In einem Punkt kann ich sie beruhigen“, sagt die Gutachterin dann. „Pädophil sind sie nicht. Sie sind geradezu das Paradebeispiel dessen, was wir in Fachkreisen als Ersatzobjekttäter bezeichnen. Übrigens – was die wenigsten wissen – fast 90 Prozent aller Sexualstraftaten an unter 14-jährigen werden von sogenannten Ersatzobjekttätern begangen. Davon entfällt dann nochmal etwa ein Drittel auf Personen, die in erster Linie sadistisch veranlagt sind und für die es darauf ankommt jemanden zu erniedrigen und wo dann Kinder eben die sind, bei denen das am Einfachsten ist.“ „Nein, zu dieser Gruppe zähle ich bestimmt nicht.“ „Das denke ich auch. Bei Ihnen war einfach gerade ihre Tochter da. Sie war greifbar und Sie haben sie sich gegriffen, ist es nicht so.“ „Doch ja, so könnte man es sagen“, bestätigt er. Dann schüttelt er langsam den Kopf und murmelt: „Wie Sie das ausdrücken…“ Die Gutachterin lässt sich davon nicht beirren. „Die gute Nachricht ist: Leuten wie Ihnen kann am ehesten geholfen werden. Pädophilie lässt sich nicht wegtherapieren. Ebensowenig wie eine sadistische Veranlagung. Aber sie haben nichts dergleichen. Ich denke Ihr größtes Problem ist der Alkohol. Und das ist etwas, dass wir in den Griff bekommen können. Vorausgesetzt Sie wollen es wirklich!“ „Ja! Ja verdammt ich will es. Ich will meiner Tochter nicht wehtun. Ich will ihr sagen, wie leid es mir tut. Am liebsten würde ich das alles ungeschehen machen.“ Seine Stimme wurde immer lauter. Doch nun fährt er mit ganz ruhiger Stimme fort: „Können Sie mir wirklich helfen?“ Es ist offensichtlich, dass dieser Gedanke sowas wie ein Hoffnungsstrohhalm ist, an den er sich nun in seiner Verzweiflung klammert. „Ich werd’s jedenfalls versuchen!“, antwortet die Psychologin und fügt hinzu: „Nicht um Ihretwillen, sondern um ihrer Tochter willen!“
wenn es heißt "nicht in jeder Nacht", dann auch, dass es öfter geschah .... die Psychologin spricht aber davon, dass das Opfer "gerade mal" zur Verfügung stand. Ich habe mich mit dieser Thematik und den Begrifflichkeiten noch nie wirklich befasst, aber es scheint mir widersprüchlich.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Es geschah ja auch öfter. Wie er selber ein paar Sätze zuvor sagte, immer Freitags, wenn er von der Kneipe kam. Und immer dann stand gerade die Tochter zur Verfügung und er hat sich an ihr befriedigt. Wie du darauf kommst, dass dieses "gerade" etwas einmaliges impliziert verstehe ich nicht ganz. Man kann ja auch öfter "gerade" zur falschen Zeit am falschen Ort sein.
Wenn die Männer jeden Freitag Abend weg waren um einen zu heben, wer passte dann auf das Kind auf? Der Vater lebt von der Mutter getrennt, also kann sie es nicht gewesen sein. Diese Frage muss uns allerdings Argus beantworten.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
regelmäßig und gerade schließen sich gegenseitig aus. Er ging ja bewusst weg und wusste schon vorher was nachher passiert. Man kann hier also von einem geplanten Missbrauch reden, aber gewiss nicht von einem gerade mal so verübten. Die Psychologen sind oft das eigentliche Übel bei solchen "Geschichten".
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Wenn die Männer jeden Freitag Abend weg waren um einen zu heben, wer passte dann auf das Kind auf? Der Vater lebt von der Mutter getrennt, also kann sie es nicht gewesen sein. Diese Frage muss uns allerdings Argus beantworten.
Ich hab' das so verstanden, dass der Vater das Kind vorher ins Bett gebracht hat. Deswegen wundert er sich ja auch, als er das erste Mal nach Hause kommt, dass sie noch, bzw. schon wieder, auf ist und bringt sie ins Bett. Da er das eben nicht geplant hat, trifft auch folgendes nicht zu:
Zitat von Andere Dimension im Beitrag #7Er ging ja bewusst weg und wusste schon vorher was nachher passiert. Man kann hier also von einem geplanten Missbrauch reden, aber gewiss nicht von einem gerade mal so verübten.
Es war eben genau NICHT geplant. Denn er ging ja weg um mit seinem Bruder einen trinken zu gehen, und wie er heim kam, war eben "gerade" (da haben wir's schon wieder) die Kleine da. So jedenfalls beim ersten Mal. Und ab dem zweiten Mal, war's dann wohl schon eher so was wie Gewohnheit. Er kam heim, war wieder in diesem notgeilen Zustand, sah die Kleine, dachte sich vielleicht so was wie: "Letztes mal war's eigentlich ganz nett mit ihr" und tat es wieder. Nicht geplant, sondern weil es sich halt so ergab. So würde ich das jedenfalls interpretieren. Und man darf nicht vergessen, dass er jeweils stark alkoholisiert war. Allerdings kann ich da nicht wirklich mitreden, weil ich selber noch nie in so einer Situation war. Ich weiß allerdings von einer guten Freundin, die mit dem Mann ihrer Schwester rumgemacht hat, dass das in ihren Fall keinesfalls geplant war, sondern sich einfach so ergeben hat. Nur dass es in ihrem Fall keine Straftat darstellte, weil ja beide schon lange volljährig waren und im Grunde wussten was sie taten, auch wenn - wie sie sagt - ihre Gehirne gerade ausgeschaltet waren.
Zitat von Andere Dimension im Beitrag #7regelmäßig und gerade schließen sich gegenseitig aus.
Wieso? Ich sehe das eigentlich nicht so. Siehe oben!
Ja, Sch., dein III und mein II sind ja nun unterschiedlich, wobei deine Ausführung direkter ist, was die Personen (direkte Rede usw.) betrifft; ich behandle es indirekter. Und ich erwähnte ja schon, dass meins vielleicht eher wie so ein Fallbeispiel aus einem Ratgeber rüberkommen könnte.
Den Missbrauch selber habe ich nur angedeutet, aus der Sicht des Mädchens, und nur indirekt und auf die Weise, wie ihn das Mädchen schon lange zu verdrängen versucht. Ich habe mich mehr darauf konzentriert, rauszustellen, dass infolge des Verhaltens des Bruders, ohne es zu wollen, ein Schuldvorwurf bei der Nichte hinsichtlich des Auseinanderbrechens familiären Zusammenhalts entsteht. Die getrennt lebenden Elternteile bedeuten ja sicher schon eine Belastung fürs Kind. Nun käme dies noch hinzu, was man noch verhindern könnte.
LG Argus
P. S.: Ich habe meinen Täter mir anders vorgestellt als deinen. Geil und besoffen kommen viele Väter nach Hause, ohne sich an ihren Töchtern zu vergehen.
_______________________________________________________________ Einen Roman zu lesen ist wie eine Kreuzfahrt, und jede abgestandene Floskel löst sofort eine Flaute aus. (Argus)
Keine Ahnung, SchwabeinÖsterreich, wie Du zu dieser Erkenntnis kommst - ich habe folgendes gelesen:
Zitat Ihren Vater liebt sie trotz allem, aber er hätte das nicht machen dürfen mit ihr. Es geschah ja auch nicht in jeder Freitagnacht, wenn er betrunken nach Hause kam. Nun macht sie sich sogar Vorwürfe, dass sie ihrer vom Vater getrennt lebenden Mutter etwas gesagt hatte, nur zaghaft und beschämt. Da habe die Mutter alles aus ihr rausbekommen und sie fühlte sich anfangs auch erleichtert. Aber nun.
Es war also nicht das erste Mal, er ist Wiederholungstäter - so spielt es also gar keine so bedeutende Rolle, wie es zum ersten Mal kam. Da er, nach eigenen Angaben, wusste welche Auswirkungen der Alkohol bei ihm hat, war das Saufen schon Teil seiner späteren Tat. Wenn Du, weil die Gelegenheit gerade günstig war, also spontan, eine Handtasche klaust, dann wirst Du mit einem milden Urteil rechnen können. Passiert es dir aber alle vier Wochen, dass sich eine solche Gelegenheit dir bietet und du sie ergreifst, dann sieht man dein Handeln in einem ganz anderen Licht. Was die Psychologin da sagte, ist also vollkommener Quark.
Allerdings, solche Psychologen gibt es...
Der Roman "verschluckt" die ein oder andere Ungereimtheit, während die Kurzgeschichte solche Unstimmigkeiten zur Schau stellt. Ich habe keine Ahnung, inwieweit man bei einer Kurzgeschichte der Recherche verpflichtet ist.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Sch. muss sich ja nicht an meine Vorgabe halten. Oder? Er muss mehr darauf achten, was in SEINER Geschichte stimmig ist.
Aber irgendwie lehrreich dies ganze Unterfangen (Experiment?). Würde mich auch interessieren, was Karin und Mande dazu meinen.
LG Argus
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von "müssen" zu reden ist sowieso immer blöd, aber ich finde schon, dass er sich an deine Story halten sollte, da es ja sein, selbst geäusserter, Anspruch war.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Stimmt es war mein Anspruch, dass meine Geschichte zu dem bereits geschriebenen passen sollte. Wie sich Argus seinen Täter nun genau vorgestellt hat wusste ich dabei natürlich nicht (weiß ich auch jetzt noch nicht). Andere Dimension, kann es sein, dass du die Verantwortungen von Gutachtern/Psychologen und Richtern verwechselst? Es ist nicht die Aufgabe eines Psychologen über jemand zu urteilen, obwohl natürlich auch Psychologen nur Menschen sind und ihnen ihr Unterbewusstsein gern mal einen Streich spielt in Richtung Vorverurteilung oder auch in der Gegenteiligen Richtung. Der Psychologe, der behauptet dass der Sympathiefaktor bei seinem Gutachten keinerlei Rolle gespielt hätte, lügt meiner Meinung nach! Trotzdem sollten die Gutachten immer möglichst neutral und wertungsfrei verfasst sein. Und um ein solches Gutachten erstellen zu können, muss der Psychologe sich eben mit dem zu Begutachtenden auseinandersetze, er muss lernen ihn zu verstehen - auch wenn ihm das möglicherweise schwer fällt. Und dafür spielt gerade das erste Mal einer Serientat eine entscheidende Rolle. Deswegen fragt ja auch die Psychologin in diesem Fall als allererstes danach, wie es zur Ersttat kam. Ich denke mal, das werden die meisten Psychologen, die Gutachten von Serientätern zu erstellen haben so handhaben.
Aber eigentlich kommt es ja auf dieses Detail auch gar nicht so an. Ich wollte jedenfalls zeigen, dass auch der Täter nur ein Mensch ist. Und eben kein Monster. Und auch, dass, entgegen allem Trara in den Medien, die echten Pädophilen das kleinste Problem darstellen, wenn es um Sexualstraftaten an Kindern geht. Denn die Statistik, die die Psychologin da erwähnt, die gibts wirklich! Und ich fand die sehr erstaunlich, muss ich sagen. Aus der anderen Perspektive wollte ich zeigen, wie schwierig es für einen Psychologen sein kann die professionelle Distanz und die Neutralität zu wahren.
Nein, habe ich nicht verwechselt - in solchen Fällen spielen die Gutachten eine entscheidende Rolle. Für die Urteilsfindung braucht es Fakten, frei von jeder ethischen und moralischen Betrachtung, gerade wenn es sich um eine vermeintliche Krankheit des Täters handelt. Natürlich wird die Psychologin nach der Ersttat fragen, aber eher unter dem Aspekt das Ganze besser einschätzen zu können.
ZitatIch wollte jedenfalls zeigen, dass auch der Täter nur ein Mensch ist. Und eben kein Monster
Das ist dir nur bedingt gelungen - ich sehe hier, aus o.g. Gründen, vordergründig das Monster. Nicht die Tat als solche, sondern die bewusste Wiederholung dieser, macht den Mann zum Monster.
Jack the Ripper war nach seinem ersten Mord ein Mörder, nach dem dritten ein Monster.
Der Abschied entziffert die Handschrift einer Begegnung
Ich stell nur mal so in den Raum: Wenn jemand das erste Mal sich schwul zeigt und dann wiederholt, ja gut, dann wird er wohl schwul sein. Ich habe früher über diese Tunten gelästert, glaube, die Zeugen Jehovas sehen in ihnen Sünder, die für ihr Schwulsein verantwortlich seien. Andere vermuten eine Verlangung, wieder andere psychische Ursachen in der Familie. Ich lästere heute nicht mehr, weil ich froh bin, selber nicht schwul zu sein.
Übrigens das Beispiel mit dem Handtaschenklau. Ich habe mal gehört, es gibt Menschen, die einen „Klauzwang“ haben, oft sogar ganz Reiche. Und wie isses mit dem erstenmal Töten? So wie bei einem Hund? Wenn der seine Beißsperre erstmal überwunden hat?
Argus
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