Klaus
Beiträge: 9 | Zuletzt Online: 12.10.2015
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  • Der letzte Strohball
    Publiziert 03.09.2015 11:39 | Kommentare: 1

    Die Strohballen lagen verstreut auf dem abgeernteten Getreidefeld wie gelbe Findlinge und gaben eine erste Ahnung vom nahenden Herbst.

    Auf dem abschüssigen Acker machten sich irgendwann einige dieser „Räder“ auf den Weg talwärts.
    Der erste kullerte gegen einen Strommast. Ein anderer landete im Vorgarten eines Hauses, dessen Bewohner verreist waren. Sie würden staunen, wenn sie zurückkämen und dem gelben Rundling ein Gesicht hinzaubern.

    Ein weiterer plumpste in einen Wassergraben, wo er einen kleinen Stausee verursachte.

    Der letzte rollte die Dorfstraße entlang, prallte gegen ein Auto und blieb im Straßenrestaurant des einzigen Pizzabäckers liegen. Nach dem ersten Schreck wurden daraus ein große Sitzgelegenheit und die Sensation des Dorfes. Hier trafen sich die Paare, und so manches Strohfeuer wurde entfacht.

    Am Ende des Sommers fütterte der Pizzageselle seinen Ofen mit dem Stroh des Gelblings, bis nichts mehr übrig war.
    Im nächsten Jahr hatten Gäste einen neuen Strohballen besorgt und er wurde ein Teil und Tradition der Pizzeria. Der Pizzabäcker änderte den Namen des Restaurants. Von nun an hieß es „Il fuoco di paglia”.

  • Die Treppe des Todes – für Mila und Lenni
    Publiziert 09.04.2015 10:56 | Kommentare: 0

    Die meisten Treppen führen von einem Stockwerk ins andere. Manche führen in den Keller oder einen Turm hinauf. Eine Treppe in den Himmel habe ich noch nicht gesehen, und eine Treppe in die Hölle gibt es nicht (obwohl manche das behaupten!). Aber eine Treppe des Todes? Ja, die gibt es, und zwar bei Opi zuhause.

    Diese Treppe führt hoch in den Garten. Sie ist nur kurz, von Blumen eingerahmt und teilweise von Mos bedeckt. Für Opi ist sie manchmal ein Hindernis, wenn er Säcke voller Blumenerde für Omi nach oben tragen muß.
    Auf der ganzen Treppe liegen Körner und Reste von Körnern herum, denn oberhalb der Treppe befinden sich Behälter mit Körnern und toten Maden für die Vögel, und was den Vögeln beim Fressen herunterfällt, ist ein Festessen für andere Vögel und für die Mäuse. Denn unter der Treppe lebt eine Mäusefamilie, oder zwei? Sie haben zwei Wohnungen, die sie ständig wechseln. Warum, weiß Opi nicht. - Mäuse! Vielleicht ist eine davon eine Ferienwohnung?

    Eines Tages huschte eine Maus auf der Treppe herum. Es war Zeit zum Mittagessen. Sie stopfte sich ein paar Körner in die Backen und fing an zu kauen, was lustig aussah, weil dabei ihre Schnurbarthaare auf und ab wippten. Doch es sollte ihre letzte Mahlzeit sein, denn schon kam der Tod auf leisen Pfoten!

    Mit erschütternder Geduld hatte Charly, unser Kater, auf diese Gelegenheit gewartet. Er saß wie eine Steinfigur regungslos oben auf der Treppe, nur sein Schwanz zuckte. Charly wußte nicht, dass das Wuselnde da unten auf der Treppe eine Maus war. Für ihn war es ein Fell, das sich bewegte, und alles, was sich bewegt, denkt Charly und nicht zu groß ist und gut riecht, kann man essen.

    Opi schaute gebannt zu, wie die kleine Maus hin und her lief, um bloß kein Körnchen zu verpassen. Dann hatte sie genug und wollte in ihre Wohnung zurück, – zu spät! Opi sah nur einen Schatten, hörte ein leises Quieken und schon zappelte die Maus zwischen den Zähnen von Charly. Er biß sofort zu, die Knochen knackten und dann schluckte er die Maus kauend herunter, denn seit er älter geworden ist, ißt er die Mäuse meistens sofort, ohne mit ihnen vorher zu spielen. (Er hat sich inzwischen bei den Bremer Stattmusikanten beworben!). Nichts blieb von der Maus übrig, als hätte es sie nie gegeben.

    Das Morden ging weiter. Am nächsten Tag starb eine Blaumeise, die der Kater im Sprung erwischte. Ein Grünfink wurde am Boden getötet, nur eine kleine Wolke von Federn blieb zurück und sank langsam zu Boden.

    Das Schlimmste war aber der Tod des Rotkehlchens, der Liebling von Omi. Das Rotkehlchen war eine Augenweide, ihr rotes Brustkleid leuchtete in der Sonne, wenn sie federnd auf einem Zweig saß. Aber Charly kannte kein Erbarmen, für ihn saß da kein wunderbarer Vogel, sondern etwas, was er essen konnte. So kam der Tod schnell. Nie mehr sollte die rote Farbe des Rotkehlchens in der Sonne leuchten!

    Wenn Omi oder Opi morgens durch das Fenster in den Garten schauen, können sie oft Herrn und Frau Dompfaff begrüßen. Sie sagen dann: „Guten Morgen, Herr und Frau Dompfaff.“ Und das Vogelehepaar grüßt mit einem Nicken zurück. Der Dompfaff wird auch Gimpel genannt. Der Mann hat eine rote Brust wie ein Bischoffskleid und sieht mit seiner Kopfplatte aus wie ein Pater im Kloster. Sie hat ein schlichtes brau-graues Federkleid. Bei den Vögeln sind die Männer oft besser gekleidet als die Frauen. Sie geben damit gerne an.

    Eines Tages hüpften Herr und Frau Dompfaff zur Treppe. Omi schaute nach Charly, der jedoch lag ausgestreckt auf dem Garagendach und döste in der Sonne. "Gott-sei-Dank!" Herr und Frau Dompfaff schienen nicht in Gefahr.
    Doch kaum hatte sich Omi umgedreht, hatte Charly Herrn und Frau Dompfaff erspäht und schlich sich leise ran. „Nein, bitte nicht,“ riefen Omi und Opi gleichzeitig voller Entsetzen. Bitte laß sie am Leben! Omi reagierte als erste: Im Nu war sie draußen. Sie rannte hinter Charly her und schrie:“ Charly, hau ab!“ Ungläubig schaute Charly Omi an, als wolle er das nicht glauben. Aber dann schlich er sich, scheinbar gelangweilt, wie das nur Katzen können, davon, denn Omi kann sehr laut werden und ein grimmiges Gesicht machen.
    Seitdem passen wir auf, aber sicher sind die Vögel nie. Neulich sah ich sogar einen Waschbären auf der Todestreppe, der auch nach Resten des Vogelfutters suchte. Aber das ist eine andere Geschichte!

  • Von Schiffen, Pinkeln und was einem Schlimmes passieren kann – für Mila und Lenni
    Publiziert 07.04.2015 11:10 | Kommentare: 2

    Heute pinkelt Opi lieber im Sitzen, obwohl man dafür als Weichei beschimpft werden kann. Und das kam so:
    Als Opi noch ein Junge war, ging man nicht pinkeln, sondern schiffen. Man stelle sich hin (als Junge ist das okay) und sagte: „Ich muß mal schiffen!“ und jeder in der Straßenbande wußte Bescheid.
    Vielleicht kommt der Ausdruck „schiffen“ von den Seeleuten, die früher von ihren Segelschiffen ins Wasser pinkelten, weil es noch keine richtigen Toiletten gab. Das aber war gefährlich, weil man dabei ohnmächtig werden, ins Wasser fallen und dabei ertrinken kann.
    Was hat Opi da gerade behauptet? Ja, man kann vom Pinkeln ohnmächtig werden! – Und ja, das kann gefährlich sein.
    Und wißt ihr was? Das ist Opi auch schon passiert.
    Opi liebt Boote und Schiffe. Vor einigen Jahren segelte er auf einem alten Segelschiff nach Dänemark, als er einen schmerzhaften Druck in der Blase verspürte: Es mußte pinkeln, und zwar sofort! Da er gerade das Deck schruppte, trat er an die Bordwand, schiffte ins Wasser, spürte eine große Erleichterung – und wurde ohnmächtig. Mit heruntergelassenen Hosen kippte er nach vorne auf die Reeling, so nennt man die Bordwand, und hing dort wie ein nasser Sack.
    Früher sind dabei die Seeleute oft ins Wasser gefallen und ertrunken. Das kalte, nasse Wasser weckte die Seeleute zwar meistens auf, doch ertranken sie trotzdem, weil die meisten von ihnen nicht schwimmen konnten. Opi aber hatte Glück. Seine Kameraden packten ihn und brachten ihn unter Deck, wo er alsbald wieder erwachte.
    Jetzt werdet ihr sagen:“ Opi, man wird nicht vom Pinkeln ohnmächtig. Das ist doch Seemannsgarn oder einer deiner Geschichten!“
    Doch, es ist möglich! Die schnelle Entleerung der Blase löst ein Nervensignal aus. Der Nerv sagt dem Herzen:“ Nun mach mal halblang und schlag langsamer, während ich pinkele. Es ist anstrengend genug.“
    Dadurch bekommt das Gehirn weniger Sauerstoff und macht eine kleine Pause, manchmal nur für Sekunden, selten eine Minute. Wenn du dann ins Wasser fällst und die Kälte weckt dich wieder auf, solltest du schwimmen können, sonst wird es gefährlich für dich! Im Bad könntest Du auf den Fußboden schlagen und dir eine Beule holen.
    Ja, und deshalb pinkelt Opi im Sitzen!

  • Verdichtung
    Publiziert 31.03.2015 17:20 | Kommentare: 1

    Die Tropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe ihres Autos. Sonst war alles still, unwirklich.
    Was machte sie eigentlich hier auf dem Parkplatz mitten in der Nacht? War sie tatsächlich aus ihrer Wohnung geflüchtet?

    Ja, dieser Moment war unausweichlich. Seine Sauferei ekelte sie an. Wie unendlich satt hatte sie seine gebrummten Scheißegal- Antworten, wenn er überhaupt antwortete. So wie der Alkohol hatten sich seine Dinge in ihrer Wohnung ausgebreitet, so dass sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Das Warten auf sein Nachhause kommen zermürbte sie. Schloß er selber auf oder hämmerte er an die Tür?

    Sie hatte Angst zurückzufahren, nicht wegen seiner Alkoholwut, sondern ob dieser immer gleichen Situationen; entweder war er Dr. Jekyll oder Mr. Hyde – und nicht einmal mehr das. Jetzt war das Zusammenleben nur schlecht oder noch schlechter.

    Sie starrte lange in den Regen, konnte keinen Gedanken festhalten.
    Irgendwann fuhr sie zurück.

    Als sie in ihr Wohnzimmer trat, warf er ihr den ersten greifbaren Gegenstand an den Kopf. Es war der Vogelkäfig ihres Sohnes, den er mit viel Mühe für sie, die Papageien liebte, gebastelt hatte. Ihr tief gebrülltes “Raus!“ erfüllte den Raum. Er starrte sie kurz an und ging dann schwankenden Schrittes hinaus; die Tür schloß er leise.

    Sie fühlte sich nicht leicht aber erleichtert.
    Danach stand sie noch lange am Fenster und schaute dem Regen zu, während eine Feder zu Boden schwebte.



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